Interview mit Kai Haferkamp

Verfasst von Hauke am 03.06.2010, 06:53 in Interviews, Zum Spielen

Zeigt u.a. Kai Haferkamp
Kai Haferkamp (rechts) auf der Spielemesse 2007

Kai Haferkamp ist für das Detektivspiel „Das Phantom der Nacht“ und die vier 2008 erschienenen TKKG-Puzzles verantwortlich. Im ausführlichen Interview spricht er über seine Helden der Kindheit, wie er Spieleentwickler wurde und natürlich über die Entstehung seiner TKKG-Spiele.

Er spricht auch darüber, wie es kommt, dass er häufig Spiele zu bekannten Themen entwickelt und wie er bei der Umsetzung vorgeht.

Kai, stell dich bitte vor.

Sich selbst zu beschreiben, ist keine leichte Aufgabe: Eine wesentliche Eigenschaft von mir ist sicherlich, dass ich mir eine kindliche Neugier und Begeisterungsfähigkeit bewahrt habe und bin im Herzen immer auch noch Kind geblieben bin.
Was alle übrigen Dinge angeht, da verweise ich lieber einfach einmal auf einen Wikipedia-Link, den nette Menschen angelegt haben, in dem eigentlich alles zu meiner Person und Biografie bzw. Ludografie nachzulesen ist: http://de.wikipedia.org/wiki/Kai_Haferkamp


Was ist bei der Entwicklung von Kinderspielen besonders wichtig?

Bei der Entwicklung von Kinderspielen ist die o.g. Fähigkeit, eine Idee mit den Augen eines Kindes zu betrachten, sicherlich sehr wichtig.
Dazu muss dann eine gehörige Portion Spaß am Tüfteln und Basteln kommen, auch eine gewisse Geduld, Ausdauer und Hartnäckigkeit, eine Idee umzusetzen und dann andere Menschen (Verlage) davon zu überzeugen. Vor allem muss man mit Rückschlägen und Kritik umzugehen wissen.


Wie wurdest du zum Spieleentwickler?

Wenn es so etwas wie ein „Spieleerfinder-Gen“ gibt, dann habe ich das sicherlich von meinem Vater geerbt. Er war 1968 Mitentwickler des Lernspiels Lük. So bin ich als Kind im Bewusstsein aufgewachsen, dass es „Spieleerfinder“ gibt. In der Schulzeit habe ich dann zusammen mit einem Freund eine Spielregel umgeschrieben zu unserem damaligen Lieblingsspiel „Wild Life“. Während meines Jura-Studiums Anfang der Neunziger Jahre entstand dann die Idee, ein ganz eigenes Spiel zu entwickeln. So richtig gepackt hat es mich dann aber, nachdem ich im Fernsehen eine Reportage über das Entwickeln von Spielen gesehen habe: „ Wie erfolgreiche Spiele gemacht werden“ Seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen.


Was bedeuten Gesellschaftsspiele für dich?

Eine umfassende Antwort würde den Rahmen hier sicherlich sprengen. Spielen macht Spaß und gehört für mich zu einer glücklichen Kindheit dazu. Spielen und Spielen zu können, das ist für mich ein Stück Glücklichsein.
Darüber hinaus gilt aber auch: Wer spielt, der lernt für das Leben. Hier möchte ich auf ein ganz aktuelles Interview verweisen, dass ich Focus-Online vor Kurzem gegeben habe.
Dort versuche ich aufzuzeigen, wie wichtig das Spielen auch für Jugendliche und Erwachsene sein kann in Bezug auf den Beruf und den Erwerb sog. „Soft Skills“.


Neben den klassischen Spielen gibt es auch eine Reihe von TKKG-Computerspielen. Wie stehst du dem Medium gegenüber? Würde es dich auch reizen, ein Computerspiel zu entwickeln?

Als Jugendlicher habe ich neben Brettspielen auch viele PC-Spiele gespielt. Ich gehöre ja zu der ersten Generation, die von Anfang an mit Computern aufgewachsen ist, und kann mich noch gut an meine ersten PCs wie den Sinclair ZX 81, später dann den Schneider CPC 464 und C 64 erinnern. Damals habe ich vor allem viele „Adventures“ gespielt. Für mich sind Brett- und PC-Spiele zwei Spielarten, die nebeneinanderstehen können und beide ihre Vor- und Nachteile haben.
Dem Brettspiel eigen ist dabei der Spaß, den man im gemeinsamen Spiel, dem gemeinsamen Beisammensein hat. Diese Spielatmosphäre wird man über ein PC-Spiel niemals erreichen können, selbst, wenn man heutzutage online live mit vielen anderen Menschen zusammen spielen kann.
Ich fände es allerdings durchaus auch reizvoll, einmal eine Spielidee für ein Computerspiel auszudenken. Es mag für PC-Spiele-Fans provozierend klingen, aber ich finde, die PC-Spiele haben sich seit den 80er Jahren nicht wirklich positiv weiterentwickelt: Gut - Grafik, Sound und Geschwindigkeit sind immer besser geworden, aber die eigentliche Spielidee ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eher immer einfacher geworden.
Eine interessante Entwicklung sehe ich z.B. bei „Wii“, wo vor dem Monitor Sportspiele möglich sind mit realistischen körperlichen Bewegungen.


Du hast besonders häufig Spiele zu bekannten Themen entwickelt. Wie kommt das?

In meiner Kindheit & Jugend habe ich sehr viel gelesen: TKKG – natürlich! Aber auch alle Bände der drei Fragezeichen, sämtliche Bände von den Fünf Freunden von Enid Blyton und viele andere. Nebenbei: TKKG und die drei Fragezeichen, die habe ich beide gleichermaßen gern gelesen. Ich fand beide Buchreihen super und habe die meisten Bücher doppelt gelesen.
Als kleines Kind mochte ich die Bücher von Otfried Preußler, Astrid Lindgren, habe also nicht nur die Filme gesehen, sondern vorher auch alle Bücher gelesen bzw. vorgelesen bekommen. Ich glaube, dass das Lesen die eigene Fantasie und Kreativität unglaublich anregt. Man bekommt ja keine vorgefertigte Welt, keine fertige Konserve, sondern kann und muss sich selbst seine eigene Welt schaffen, in der man sich die Protagonisten, z.B. TKKG, vorstellt. Wenn ich heute von Verlagen die Chance bekomme, zu einem solchen Buch aus meiner Kindheit ein Spiel zu machen, dann ist das für mich deshalb immer auch ein wieder Eintauchen in die eigene Kindheit, was mir sehr viel Spaß macht.
Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, weshalb ich so viele Spiele zu Kinderbüchern entwickelt habe.


Was findest du einfacher: Spiele aus einem bereits existierenden Kosmos zu schaffen oder ganz eigene Ideen und Geschichten ohne Vorlage entwickeln?

Mich inspirieren ein Buch, eine Geschichte, bestehende Figuren immer sehr stark in Hinsicht auf die Spielidee. Es gibt unter den Autoren wohl zwei verschiedene Herangehensweisen an ein neues Spiel: Die einen kommen von der abstrakten, vielleicht eher mathematischen Seite, vom abstrakten Spielmechanismus und überlegen danach, was für ein Spielethema man daraus machen könnte.
Bei mir ist es umgekehrt: Ich bevorzuge es, Figuren, eine Welt, eine Handlung zu haben, die mich dann zu den Ideen für eine Spielidee inspiriert.
Allerdings habe ich auch selbst schon einige Spiele entwickelt, bei denen mir zunächst der abstrakte Mechanismus eingefallen war und ich dann überlegt habe, wie man den möglichst atmosphärisch in ein Spiel einbinden könnte.


Der Weg vom Buch zum Spiel: Wie gehst du vor?

Bei einzelnen Büchern lese ich das Buch natürlich zunächst mindestens noch zweimal, markiere mir wichtige Stellen, von denen ich glaube, dass man sie im Spiel erfahrbar machen kann. Für mich sind das die sog.spielerischen Schlüsselszenen. Denn es ist klar: Man kann schwer ein ganzes Buch komplett spielerisch umsetzen. Daher versuche ich, mich auf wesentliche Stellen zu konzentrieren, die m.E. auch die Atmosphäre und Aussage des Buches bestmöglich wiedergeben. Vor allem bei der Umsetzung des Buches „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry bin ich so vorgegangen.

TKKG-Aufsteller
Präsentation auf der Spielemesse im Oktober 2007


Wie stehst du zu TKKG?

TKKG waren die Helden meiner Jugend – es gab praktisch keinen Band, den ich nicht mindestens zwei bis dreimal gelesen hätte. Ich erinnere mich noch heute an die Stelle, als Tarzan, äh, ich meine natürlich Tim, von Gabi den ersten Kuss aufgehaucht bekam, als er Oskar gerettet hatte. Wenn ich die Bücher gelesen habe, dann bin ich vermutlich aber eher zu einem Klößchen mutiert, da ich zumeist in meinem Korbsessel saß und auch jede Menge Schokolade gefuttert habe. Heißt: Mit TKKG verbinde ich wunderschöne Erinnerungen an meine Kindheit.
Da ist es gar keine Frage, dass ich völlig begeistert war, als der Schmidt Spiele Verlag mir Anfang 2007 signalisierte, dass es vielleicht die Möglichkeit geben würde, zu TKKG ein großes Spiel zu machen, wenn mir denn ein gutes Spiel einfallen würde.
Ich war von der ersten Sekunde an „Feuer und Flamme“, und ich glaube, das hat man bei Schmidt-Spiele auch gleich gemerkt.


Wie kam es zu dem TKKG-Spiel? War es eine Neuentwicklung oder hattest du die Idee für ein Detektivspiel bereits im Kopf?

Es war, wie gesagt, der Schmidt-Spiele Verlag, der diese tolle Grundidee hatte, ein Spiel zu TKKG zu entwickeln und mich angesprochen hat. Insofern habe ich alles ganz gezielt in Hinsicht auf TKKG entwickelt. Es gab vorher von mir keinen ähnlichen Spieleentwurf, den ich hätte zuschneiden können. Das hätte vermutlich auch nicht so gut funktioniert, und ich wäre am Ende damit nicht zufrieden gewesen.


Das Spiel besitzt viele technische Besonderheiten, insbesondere die UV-Lampe. Woher weißt du, ob solche Dinge überhaupt umsetzbar sind?

Generell ist es so, dass man bei solchen technischen Besonderheiten und Innovationen natürlich eng schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit dem Verlag zusammenarbeitet, um abzuklären, ob eine Idee technisch und kalkulatorisch umsetzbar ist. Im speziellen Fall der UV Lampe und der unsichtbaren Spuren im Spiel hatte Schmidt diese Technik bereits erfolgreich in Hinsicht auf die Realisierbarkeit in einem Spiel überprüft und mir den Tipp gegeben, dass es machbar wäre, sie im TKKG Spiel einzusetzen. Mich hat die UV Lampe von Anfang an fasziniert, und ich fand sie gerade für TKKG auch sehr atmosphärisch. – In meiner Erinnerung an die Bücher verbinde ich TKKG sehr stark mit abenteuerlichen, geheimnisvollen und gefährlichen Ermittlungsarbeiten auch gerade im Dunklen. Das passte die UV Lampe mit ihrem geheimnisvollen bläulichen Licht schon sehr gut.


Wie lange brauchst du für ein Kinderspiel und wie lange hat die Entwicklung des TKKG-Spiels gedauert?

Beim TKKG Spiel dauerte die gesamte Entwicklung von Plan, ein Spiel zu TKKG zu entwickeln bis zur Vorstellung des fertigen Spiels auf der Spielemesse Essen durch den Verlag ca. ein ¾ Jahr.
Die Entwicklung der eigentlichen Spielidee zeitlich einzuordnen, fällt schwer: Das reicht von 10 Sekunden bis über Wochen und Monate: Je nachdem, wie konkret der erste „Geistesblitz“ ausfällt. Manchmal hat man nach kurzer Zeit die grundlegende Idee und weiß sofort „Das ist es!“, manchmal entwickelt sich ein Spiel in wochenlanger Arbeit und in vielen Tests erst langsam, bis man zufrieden ist; das ist immer unterschiedlich.


Testest du deine Spiele selbst oder hast du Testspieler?

Natürlich – ohne Testspieler (an dieser Stelle allen ein herzliches Dankeschön) geht gar nichts. Ein Spiel auszudenken ist der eine, theoretische Teil. Aber man muss dann auch sehen, wie sich das Spiel in der Praxis bewährt, ob Spielverlauf und Spielatmosphäre so sind, wie man es sich erhofft hat. Das kann man nur immer wieder testen.


Erzähle doch bitte ein wenig über den Entstehungsprozess von „TKKG – Das Phantom der Nacht“.

Die Ermittlungstätigkeit von TKKG gerade in der Nacht und an spannenden Orten, das gemeinsame Zusammenspiel aller Figuren, das hatte ich immer im Hinterkopf, ebenso wie die Millionenstadt.
Für mich war es wichtig, dass TKKG auch im Spiel als Team kooperiert. Ich hätte es nicht passend gefunden, hier jede Figur einzeln und gegeneinander spielen zu lassen.
So entstand schnell in meinem Kopf das Bild von der Millionenstadt im Dunklen, in der das TKKG – Team auf die Jagd nach einem geheimnisvollen Phantom geht.
Da mich bei TKKG in den Büchern das Mitraten, wer wohl der Täter ist, das Kombinieren bei den Fällen immer sehr gereizt hat, kam dann die Überlegung, für TKKG die dem Spiel beiliegenden Fälle zu schreiben, in denen jeweils versteckt ein entscheidender Hinweis auf den Täter gegeben wird und so jedem Spiel eine ganz eigene Spielatmosphäre in Form der zugrunde liegenden Geschichte zu geben.
Das Schreiben der Fälle (bei denen ich mich zusammenreißen musste, nicht viel viel mehr zu schreiben) hat mir dabei unglaublich viel Spaß gemacht. Wenn mich morgen jemand fragen würde, ob ich nicht ein TKKG Buch schreiben könnte, ich weiß nicht, ob ich dafür nicht alles stehen und liegen lassen würde.


Was unterscheidet dieses Spiel von anderen Detektiv-Spielen?

Ich glaube, es ist die Mischung: Ein Fall zum Vorlesen mit versteckten Hinweisen, geheimnisvolles Spielmaterial, gemeinsames Tüfteln und Kombinieren, Gedächtnisleistung und Spannung – ich denke, das macht die besondere neue Spielatmosphäre aus. Das war jedenfalls die Meinung aller Testspieler. Und natürlich habe ich mich riesig gefreut, dass sich damit die Spielatmosphäre tatsächlich in den Testrunden gleich so einstellte, wie ich es mir erhofft hatte.


Dieses Spiel ist für Kinder und Erwachsene gedacht. Was muss man beachten, wenn man Spiele entwickelt, die Kinder und Erwachsene ansprechen sollen?

Es ist sicher eine besonders kniffelige Aufgabe, ein Spiel zu entwickeln, das für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen spannend sind, da ja Interessen und Fähigkeiten dieser Altersgruppen in der Regel unterschiedlich sind.
Schön ist es dann, wenn man verschiedene Elemente so verknüpft, dass jeder seine eigenen Fähigkeiten ins Spiel positiv einbringen kann: Die angesprochene Überlegenheit von Kindern bei allen Aufgaben, in denen eine Art Gedächtniskomponente ins Spiel kommt, ist da ein gutes Beispiel: Kinder in der Gruppe können hier prima mitspielen und haben keinen Nachteil, wenn sie vielleicht an anderer Stelle kleine Nachteile haben.
Bei meinem Familienspiel „Das kleine Gespenst“ ist das zum Beispiel der Fall:
Während die Kinder haushoch beim Thema Gedächtnisleistung überlegen sind, haben die Erwachsenen bei der Geschicklichkeitsaufgabe die Nase vorn – beides zusammen ergibt dann einen wirklich spannenden Wettkampf, der Kindern und Erwachsenen gleichermaßen Spaß macht – und das ist dann der Idealfall.


Du hast auch die TKKG-Puzzles entworfen. Stammt dabei nur das Konzept von dir?

Ja, wobei das Konzept eine Gemeinschaftsarbeit der Schmidt-Spiele Redaktion und mir gewesen ist.


Wie darf man sich den Ablauf der Puzzle-Entwicklung vorstellen?

Die Redaktion und ich haben hier zunächst gemeinsam spannende Themen überlegt und das übergeordnete Spiel- bzw. Rätselkonzeptkonzept. Danach wurde dann der Grafiker beauftragt, passende Illustrationen zu fertigen.


Was planst du für die Zukunft? Weitere TKKG-Spiele?

Wenn ein Verlag plant, zur TKKG-Reihe neue Spiele zu machen, wäre ich sofort wieder hoch motiviert bei der Sache. Momentan ist aber noch kein neues Spiel in konkreter Planung.

Die Fragen sind per E-Mail 2007 und 2010 gestellt und ebenso beantwortet worden.

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