Interview mit Kai Schwind II

Verfasst von Hauke am 24.11.2011, 00:54 in Interviews, Zum Hören

Die Jubiläumsfolge 175 ist der Interviewgegenstand in der zweiten Fragerunde mit Kai Schwind. Ebenfalls zur Sprache kommt die Uraufführung / Premiere des Hörspiels vom 05. November 2011 mit den Unterschieden zu anderen Schreibarbeiten. Kai Schwind verrät u.a. warum Wolfgang Völz nicht erneut als Rasputin zu hören ist oder wie er es schafft zwischen dem Schreiben von TKKG-Parodien und ernst gemeinten TKKG-Abenteuern zu wechseln.

Hallo Kai. Zuletzt haben wir über das von dir geschriebene Theaterstück gesprochen. Am 05. November 2011 wurde dein erstes TKKG-Hörspiel auf einer Bühne uraufgeführt. Worin unterscheiden sich für dich als Autor Theater, Live-Hörspiel und das klassische Hörspiel?

Als Autor eines Theaterstückes muss man viel mehr auf die Räumlichkeit und Körperlichkeit der Bühne achten und Rücksicht nehmen. Die Schauspieler bewegen sich im wahrsten Sinne des Wortes im Raum, ihre Handlungen werden nicht nur beschrieben oder nacherzählt, sondern sie führen diese tatsächlich aus.

Im Unterschied dazu kann man beim klassischen Hörspiel einfach alles behaupten. Man kann mit ganz einfachen Mitteln gigantische Szenarien entstehen lassen und die Figuren an alle möglichen und unmöglichen Orte versetzen. Dabei ist außerdem zu beachten, dass Dialoge und das Zusammenspiel der Sprecher beim Hörspiel anders funktionieren, als auf der Bühne (oder beim Film). Musik und Geräusche wirken logischerweise stärker.

Das Live-Hörspiel ist ein sehr interessanter Hybrid aus beiden Medien. Man macht den Zuhörer zum Zuschauer und lädt ihn quasi dazu ein, bei einer Hörspielproduktion live dabei zu sein. Dabei ist es, glaube ich, in erster Linie spannend zu erleben, wie bestimmte Dinge gemacht werden – der Geräuschemacher ist bei einem Live-Hörspiel ja oft der beliebteste und interessanteste Faktor auf der Bühne. Gleichzeitig ist es aufregend, den Sprechern bei ihrer Arbeit zu zusehen. Hierbei eignet es sich ganz besonders für eine ganz bestimmte Form von Komik, denn es entsteht ja oft eine Diskrepanz zwischen dem Aussehen der Sprecher und wie sie klingen.

Das Live-Hörspiel ist meines Wissens ein ausschließlich deutsches Phänomen und hat sich mittlerweile zu einem echten kleinen Genre gemausert. Erfunden wurde es vom Team der Drei Fragezeichen anlässlich der ersten Live Tour „Master of Chess“ und wird nun durch viele unterschiedliche Produktionen am Leben gehalten, u.a. die der Lauscherlounge.


Gibt es auch Gemeinsamkeiten, die du besonders schätzt?

Ich finde es reizvoll, die visuelle Ebene beim Live-Hörspiele auszutesten. Bei der Inszenierung von „Die Drei Fragezeichen und der seltsame Wecker 2009 – Live and Ticking“ haben wir ja ganz bewusst visuelle Elemente in die Show eingebaut und der Bühne auch eine starke Räumlichkeit gegeben. Das hat ziemlich gut funktioniert, finde ich.


Inwiefern hast du dein Hörspielskript für die Bühne angepasst?

Im Falle von TKKG-Folge 175 habe ich das Skript sehr vereinfacht, um die Situation für die Bühne so klar wie möglich zu machen. Ich habe viele Nebenhandlungsstränge und Schlenker in der Geschichte raus genommen und im Plot eine klare Linie geschaffen. Außerdem habe ich sämtliche anderen Figuren in die Erzählertexte gepackt, weil die TKKG-Sprecher auf der Bühne im Mittelpunkt stehen sollten. Zusätzlich habe ich kleine Live-Aktionen und Gags eingebaut (wie z.B. das Hantieren mit echten Funkgeräten etc.), um das Spiel auf der Bühne etwas lebendiger zu machen.


Wie war es nicht nur als Autor auf der Bühne zu sein, sondern auch als Sprecher und Erzähler?

Ich habe ja durch die Auftritte mit der Ferienbande mittlerweile einige Erfahrung als Performer bei einem Live-Hörspiel. Aber ich muss zugeben, dass die Rolle des Erzählers doch recht ungewohnt war.


Inwiefern war dieses Event anders als deine vorherigen Erfahrungen mit Live-Hörspielen?

Es ging hier in erster Linie um das Live „Outing“ der TKKG-Sprecher und um diese Tatsache haben wir die Show gebastelt. Deshalb waren die Geschichte und die Inszenierung etwas unspektakulärer und „straighter“ als bei den Drei Fragezeichen oder auch der Ferienbande. Den Rahmen des Hamburger Krimifestivals und die Location (das Kampnagel-Gelände) fand ich sehr passend und angenehm.


Dein persönliches Highlight: Was hat bei dir einen bleibenden Eindruck hinterlassen?

Die Spielfreude der Sprecher und die angenehme Zusammenarbeit mit dem ganzen Team. Außerdem haben mich die vielen Fans, die gekommen waren, sehr beeindruckt. Man hat ja in der Öffentlichkeit nicht unbedingt ein Bild von „den TKKG Fans“. Da waren alle Altersgruppen vertreten und es war eine echte Wärme und Zuneigung aus dem Saal zu spüren.


Bei den drei ??? und anderen Hörspielserien ist ein Live-Hörspiel nichts Besonderes mehr. Warum hat es deiner Meinung nach bei TKKG so lange gedauert und wie kam es zum ersten Live-Hörspiel?

Ich denke, das hat verschiedene und hauptsächlich interne Gründe. TKKG funktioniert als „Marke“ einfach anders als die Fragezeichen und es gab zunächst mal kein sonderliches Bedürfnis, mit dem Format auch Live etwas zu machen – weder von Sprecherseite noch von den Fans. Dass es nun soweit war, lag zum einen an einer konkreten Anfrage vom Krimifestival an Sony/EUROPA und zum anderen, glaube ich, auch daran, dem 30-Jahre-TKKG Jubiläum ein bisschen Rechnung zu tragen. Dieser Auftritt war ein kleiner Testlauf dafür, ob TKKG auch Live funktioniert und ob es dafür eine Nachfrage gibt.


Was kam zuerst: das TKKG-Theaterstück für das WLT oder Folge 175?

Die Anfrage Folge 175 zu schreiben kam zu erst, das Theaterstück später zustande.


Wie bist du TKKG-Hörspielautor geworden?

Bei Sony/EUROPA bin ich seit der Fragezeichen Wecker Tour bekannt und so kam der Kontakt zu Maike Nagel, der Produktmanagerin von TKKG zustande. Dort war man auf der Suche nach Autoren und ich fand es reizvoll, etwas Besonderes für die Folge 175 zu machen.


Wusstest du von Anfang an, welche Folgennummer dein Abenteuer haben wird?

Ja, das stand fest.


Gab es Vorgaben zum Hörspiel oder hattest du freie Hand?

Es gab einige Vorgaben, was die Anmutung der Serie und der Figuren anbelangt, aber nachdem wir uns auf das etwas umfangreichere Format (2 CDs) und den Grundplot geeinigt hatten, hatte ich komplett freie Hand.


Bei der Liveveranstaltung sagtest du, „Abenteuer im Ferienlager“ sei deine erste TKKG-Folge gewesen. Spielt aus diesem Grund dein erstes TKKG-Abenteuer auf Rügen oder war das eine Vorgabe? Warum nicht „Millionendiebe reloaded“?

Die Folge spielt nicht explizit auf Rügen, sondern „an der Nordsee“. Wir nennen da in guter alter TKKG-Tradition keine direkten Ortsnamen. Die Idee, TKKG in das Ferienlager zurückkehren zu lassen, stammt von mir und liegt mit Sicherheit daran, dass mir die Folge seit meiner Kindheit so vertraut ist. Ich finde bei „Abenteuer im Ferienlager“ gerade das etwas Unspektakuläre und Gemütliche so reizvoll. Da werden mal keine Terroristen gejagt oder Sektenführer aufs Kreuz gelegt, sondern man verbringt einfach seine Sommerferien mit TKKG. Dazu kommen so schön gestaltete Nebenfiguren wie Oma Truels oder der Betreuer Rasputin. Dieses Nostalgiegefühl wollte ich für Folge 175 wieder auferstehen lassen, weshalb die Struktur ähnlich angelegt ist und es diverse Anspielungen und Querverbindungen zur alten Folge gibt. Millionendiebe reloaded muss nicht unbedingt sein...


In „Die Ferienbande“, einer Jugendhörspielparodie, fahren die Mitglieder der Bande nach Rügen und erleben einige Abenteuer.

Ja, die Ferienbande ist eine Parodie auf die Jugendhörspiele der 80er Jahre, die wir vor einiger Zeit als Radiocomedy Serie entwickelt haben. Mittlerweile gibt es mehrere Langhörspiele und wir waren auch auf Live-Hörspiel Tour mit diversen Geschichten. Die Ferienbande parodiert natürlich eindeutig die Figurenkonstellation von TKKG und macht sich über die übertriebenen Charaktereigenschaften, aber auch viele andere Aspekte der EUROPA-Jugendhörspiele lustig.

Dem ersten Ferienbande Hörspiel („Die Ferienbande und die entsetzlichen Ferien“) liegt in der Tat auch das Ferienlager-Setting aus der TKKG-Folge 9 zugrunde, wird aber gänzlich anders beackert. Auch das Reiseziel, Rügen, war unsere Idee.


Sind viele Erfahrungen der Ferienbande deinem TKKG-Hörspiel zugute gekommen?

An dieser Stelle muss ich vielleicht ein paar Anmerkungen zu meiner Doppelrolle als Autor von sowohl Parodie als auch Original machen. Es ist für mich durchaus eine schräge Erfahrungen, für beide Formate zu arbeiten. Bei der TKKG-Serie sehe ich in jedem Fall jede Menge (unfreiwillige) Komik und bin als halbwegs klardenkender Mensch nicht in der Lage, alle Geschichten ohne Ironie und Sarkasmus zur Kenntnis zu nehmen. Das Weltbild und die Figurenzeichnung von Rolf Kalmuczak war des Öfteren doch sehr angestaubt und bizarr; aber TKKG haben in meinem Kassettenkinderherz genauso einen Platz wie andere Serien und ich fühle mich sehr geehrt, dabei sein zu dürfen. Dennoch sehe ich mich bei TKKG als Gastautor, der die Chance hat, all jene Aspekte aus der Serie herauszuarbeiten, die ich als „kuschelig nostalgisch“ bezeichne, und außerdem eine spannende Jugendkrimi-Geschichte zu erzählen. Übertriebene Komik und Parodie unterzubringen, reizen mich in diesem Fall also nicht. Dieses Bedürfnis kann ich ja zur Genüge bei der Ferienbande ausleben. Es hört sich ein bisschen schizophren an, aber ich kriege diese Balance ganz gut hin. Man muss im Kopf einfach einen Schalter umlegen...


Gibt es wie im Live-Hörspiel „Ferienbande-Momente“?

Du spielst damit wahrscheinlich auf die Gags an. Ich würde diese aber nicht unbedingt als „Ferienbande“-Momente bezeichnen. Das ist ein Humor, der die Geschichte auflockert und stellenweise auch aus der Situation entsteht. Es stimmt aber, dass ich bei der Show durchaus eine gewisse ironische Grundhaltung für angebracht halte, denn immerhin stehen auf der Bühne Erwachsene um die 40, die behaupten, sie seien Teenager.


Was ist das Besondere an „Nachtwanderung mit Schrecken“? Was unterscheidet dieser Fall von anderen?

Er ist, wie bereits gesagt, an die episodenhafte Struktur von „Abenteuer im Ferienlager“ angelehnt, das heißt, es gibt diverse Geschichten, die miteinander verbunden sind. TKKG müssen zum Beispiel zunächst mal eine Diebstahlserie in der Jugendherberge aufklären. Außerdem gibt es diverse Anspielungen auf die alte Folge: Zum Beispiel ein älter gewordener Rasputin oder dann wenn TKKG auf eine Bekannte von Oma Truels treffen, die versucht das Haus ihrer Freundin (die Oma ist mittlerweile im Altenheim) vor dem Verkauf zu retten. Tja, und was bei der Nachtwanderung passiert, will ich hier natürlich nicht verraten.

Ich glaube, dass TKKG in dieser Geschichte ein bisschen „natürlicher“ miteinander umgehen und wir nicht so viel „übertriebene Aktionen“ finden, vor allem von Tim, der ja gerne mal ohne Rücksicht auf Verluste prügelt und selten echte Gefühle zeigt. Das ist diesmal ein bisschen anders.


In „Abenteuer im Ferienlager“ der Erstausgabe waren TKKG 12 - 13 Jahre alt. In der Neufassung von Herbert Friedmann sind TKKG 14, wie auch bei Rolf Kalmuczak in späteren Bänden. Wie viel Zeit ist nach deiner Vorstellung innerhalb des TKKG-Universums seit dem letzen Besuch im Ferienlager vergangen?

Eigentlich wollen wir das gar nicht so explizit klarmachen, denn die Serie lebt ja auch ein bisschen von dieser Unklarheit des genauen Alters (zumindest die Hörspielserie). Für mich sind, ganz vage, „ein paar Jahre“ vergangen.


Wird es 2012 zum 30. Jahrestag der Folge neun eine Neuvertonung wie von „Das Geheimnis um TKKG“ geben, bei der vielleicht die bisher nicht vertonten Abenteuer der Buchvorlage zu hören sind?

Eine schöne Idee, aber dazu kann ich leider nichts sagen, denn das wird alles bei EUROPA geplant.


Durftest du dir Sprecher wünschen? Warum spricht Wolfgang Völz nicht Rasputin?

Ja, das war eine feine Sache. Heikedine Körting hat mich explizit nach Besetzungswünschen gefragt und wir waren uns einig, dass man bei der Besetzung den Hörspiel-Nostalgie-Faktor noch mal unterstreichen kann. Deshalb war es sensationell, dass „meine Wünsche“ wie Jürgen Thormann oder Lutz Mackensy zugesagt haben. Wolfgang Völz war fest eingeplant für Rasputin und musste leider aus gesundheitlichen Gründen absagen. Das war sehr schade, aber ich finde Douglas Welbat macht seine Sache sensationell gut. Er hat die gleiche Ironie in der Stimme und klingt an manchen Stellen wie ein jüngerer Völz.


Bei der Premiere „Nachtwanderung mit Schrecken“ hast du von den Aufnahmen gesprochen, bei denen du anwesend sein durftest. Gab es etwas, das dich verwundert hat, du dir immer anders vorgestellt hast?

Nicht was das Studio oder die Arbeit von Frau Körting anbelangt (ich hatte bereits schon einmal Gelegenheit, bei Fragezeichen Aufnahmen im Studio dabei zu sein), aber was mich sehr positiv überrascht hat war, wie entspannt die TKKG-Sprecher miteinander umgegangen sind und was für eine gute Stimmung im Studio war.


Da du jahrelang selbst Hörspiele gemacht hast: Konntest du noch etwas dazulernen / Neues entdecken?

Es macht immer Spaß, Frau Körting bei der Arbeit zuzuschauen. Mich fasziniert außerdem die Tatsache, dass sie nach wie vor analog, auf Band, und nicht wie mittlerweile üblich digital aufnimmt. Da kommt dann so ein Element in die Studioarbeit, das man einfach nicht mehr gewohnt ist – ein Band muss buchstäblich „abgeschnitten“ und „aufgerollt“ werden und ich musste mehrmals die Bandspule halten, während Frau Körting nach Kleber gesucht hat. Herrlich.


Kannst du dir TKKG auch als nicht ewig in der Zeitschleife feststeckend vorstellen? Wenn ja, was täten TKKG deiner Meinung nach mit Mitte 20?

Ja, das wäre schon spannend – vielleicht dann, wenn die Serie irgendwann mal ein Ende findet? Im letzten Fall treffen sich TKKG nach vielen Jahren wieder (bzw. Tim und Gaby sind natürlich verheiratet) oder sind gemeinsam auf der Uni, und müssen zusammen einen letzten Fall lösen. Nur der gute Oskar wäre dann wahrscheinlich nicht mehr dabei...


Vielen Dank für die Beantwortung der vielen Fragen!


Das Interview fand im September 2011 statt.

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Die letzten Kommentare


Verfasst von Fataga am 25.11.2011, 11:27

Hallo Hauke,

vielen Dank für dieses tolle und aufschlussreiche Interview.

VG
Thorsten
Fataga

Dabei seit: 20.05.2011

Beiträge: 11