Folge 183: Blindgänger im Villenviertel

Folge 183: Blindgänger im Villenviertel
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CD
EUROPA
26. Juli 2013
887654415622
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62%

Insgesamt sind 2 Rezensionen des TKKG-Site.de - Teams verfügbar. Die Durchschnittsbewertung beträgt 62%.

Rezensionenübersicht

Mehr Serienkenntnis & Logik wäre wüschenswert

Eine Rezension von Hauke

Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: Mit Karnevalpolizeikostümen ausgestattete Trickbetrüger bringen alle Bewohner in Klößchens Nachbarschaft dazu, ihre Häuser zu verlassen. Ihr Ziel ist es, diese im Anschluss auszuräumen. Bis auf Gaby fällt der Rest der TKKG-Bande zunächst auf den Trick rein, und während die Jungs wegen einer Fliegerbombe ermitteln, wird Gaby entführt …

Bereits bei der letzten Folge von Katja Brügger hatte ich einiges anzumerken, das nicht ins ursprüngliche TKKG-Universum passt. Frischer Wind ist völlig in Ordnung, aber als alter TKKG-Hase missfällt es mir, wenn sich Fakten in der TKKG-Welt ändern bzw. vergessen werden. Ich kann damit leben, dass jeder Autor TKKG anders charakterisiert und dadurch teilweise „überraschende“ Entwicklungen stattfinden, z. B. Tim bei dem einen der Held ist, bei dem nächsten Autor eher weinerlich, mutlos.

So empfinde ich es als angenehm, Gaby als toughes und klug vorgehendes Entführungsopfer zu sehen. Dabei muss ich leider vernachlässigen, dass sie ihre Entführung selbst provoziert hat. Da war sie bei Rolf Kalmuczak vor zehn Jahren plietscher und konnte sich aus Situation geschickt herausreden. Diese Intelligenz scheint abhanden gekommen zu sein. Tim ist bei Gabys Entführung richtig verzweifelt, wie zuletzt beim Geiseldrama. Das gefällt mir. Der positive Eindruck wird etwas gedämpft durch sein wenig actionfreudiges Vorgehen. Tim war immer der Macher. Die letzten 50 Folgen tendieren leider dazu, mehr zu reden als zu tun. Karl und Klößchen reagieren ebenfalls anders als gewohnt. Das stellt, wie schon bei Folge 181, eine nette Abwechslung dar.

Jetzt gibt es, wie angedeutet, eine ganze Reihe an Dingen, die mich bei diesem Hörspiel stören. Deshalb eine Spoilerwarnung: Lieber zum Fazit springen, wenn nicht zu viel über die Handlung verraten werden soll.

Die TKKG-Freunde sind alleine in der Sauerlich-Villa. Die Köchin Amalie Dessart scheint von Klößchens Eltern Urlaub bekommen zu haben. Jedenfalls sollen die vier das Haus einhüten. Gaby hat parallel zu dieser Aufgabe einen Ferienjob bei einem Juwelier. Das ist kein alter Bekannter und kurios: Das Geschäft liegt ein kurzes Stück „die Straße runter“ von der Villa Sauerlich. Das passt für mich überhaupt nicht ins Konzept. Ein reines Luxuswohngebiet, als das die Eichenallee, in der Willis Eltern leben, immer geschildert wurde, ist nun ein Mischgebiet, also mit Gewerbe? Wie kann sich ein nobles Juweliergeschäft in einer Luxuswohnsiedlung halten, wenn es doch prominente noble Juweliere in der Innenstadt gibt? Ebenso seltsam: Tim und Karl wären ebenfalls Kandidaten für Ferienjobs.

Bei der Folge 181 agierten Personen aus glaubhaften Gründen gesetzeswidrig. Es sind nicht alle durchdacht vorgegangen sind. Bei den geschilderten persönlichen Problemen kann die Ratio durchaus in den Hintergrund geraten. In diesem aktuellen Fall gilt dies aber nicht. Besonders nicht für die Verbrecher. Es gibt keine Entschuldigung für dummes Verhalten. Aber der Reihenfolge nach.

TKKG handeln total undurchdacht. Da vermisse ich regelrecht Tims frühere Monologe, bei denen er alles erklärt und seine Freunde zum richtigen Handeln drängt.
Alles beginnt mit Gabys Spatziergang. Oskar fällt in einen offenen Gulli und Gaby kommt nur auf die Idee Tim zu informieren, indem sie zu Fuß ein ganzes Stück zu ihm läuft. Ich hätte mehr sorgen, den Hund zu verlieren und würde meine Freunde per fernmündlich informieren. Aber wer weiß – vielleicht ist Gaby wegen der eingangs im Hörspiel erwähnten Stephen King Story über Männer in der Kanalisation doch plötzlich erschrocken, als sie neben Oskar eine Männerstimme aus der Kanalisation wahrnimmt. Ohne Handy oder Smartphone ist sie bestimmt nicht unterwegs.
Die TKKGler wollen nun Oskar retten. Klößchen verzichtet auf den Gang in die Kanalisation mit einer unlogischen Argumentation. So war er doch bereits in den Tiefen der Unterwelt unterwegs – zusammen mit Karl in Folge 127.
Karl wird von zwei Männern in Karnevalskleidung überzeugt, sie seinen Polizisten. Er entschuldigt sich später dafür. Das Argument ist lächerlich: Nur Gaby als Profi kann echte und unechte Polizeikleidung unterscheiden. Bitte? Computer-Karl mit seinem fotografischem Gedächtnis kann Karnevalskostüme und echte Kleidung nicht unterscheiden? Ich habe noch nie echt aussehende Polizeikostüme für Karneval oder Fasching gesehen. Logischer wäre die Erklärung gewesen, es wären Polizeirequisiten vom Film / Fernsehen, denn die sind entsprechend glaubhaft. Außerdem waren Karl und Tim schon immer eher misstrauisch und hätten sich Polizeimarken zeigen lassen. Besonders bei den Namen …
Ebenfalls unlogisch: Die Verbrecher stellen sich mit erfundenen Namen bzw. mit dem Namen des Stirb Langsam Helden vor. Es klingt so, als ob sie sich das gerade erst ausgedacht haben. Sind die Trickbetrüger wirklich so dämlich, dass sie sich für die Sauerlich-Villa neue Namen erdachten? Sie müssen zeitlich deutlich später bei Gabys Arbeitsstätte aufgetaucht sein. Dort haben sie ihre Pseudonyme fast vergessen und kaspern entsprechend rum. Haben sie bei anderen Häusern neue Namen verwendet (warum sollten sie sonst ihre Fake-Identitäten so schnell vergessen haben?) und wollten jetzt bei Gaby die gleichen nehmen, falls das Mädchen Kontakt mit TKK hatte? Auf jeden Fall haben sie sich damit endgültig unglaubwürdig gemacht. Das bemerkt glaubhafterweise Gaby. Doch anstatt sich intelligent zu verhalten, braucht sie noch einen Pseudotrick (mit ihrem Vater), um sich zu vergewissern, und muss dann vor Ort telefoniere – mit Tim. Das Ergebnis: sie will auf den Bluff der Gangster eingehen und im Anschluss ihren Papi informieren.
Liebe Gaby, früher wärest du direkt auf den Bluff eingegangen und hättest außerhalb des Gefahrenbereichs Tim / Papi informiert. Und falls du doch so unklug gehandelt hättest: Als die Verbrecher dich beim Telefonieren erwischt haben und fragen, mit wem du gesprochen hast, hättest du sie getäuscht, sodass sie dich hätten gehen lassen. Du hättest nicht fälschlicherweise behauptet, mit deinem Vater telefoniert zu haben. Du hättest wohl eher die Wahrheit gesagt. „Ich habe mit meinem Freund telefoniert, …“ und jetzt eine Notlüge: „… und gefragt, ob ich jetzt schon vorbeikommen kann, weil ich wegen einer Fliegerbombe das Geschäft verlassen muss.“
Da hätten die beiden Dumpfbacken Gaby doch locker gehen lassen …

Jetzt aber der Clou: das Verbrechen, dessen Plan Karl bewundert!
Plan A: Alle Bewohner aus den Häusern locken und in Ruhe plündern, inklusive dem Juweliergeschäft, das dann durch die Versicherung auch einen Teil ersetzt bekommt.
Plan B:Ist Plan A nicht mehr durchführbar erfolgt die Flucht durch die Kanalisation mit anschließender Fahrt zum Flughafen und ab auf die Insel. Dabei wird dann nur der Schmuck des Juweliers mitgenommen.

Kommt Leute, der Plan ist lückenhaft und nicht gut durchdacht. (In Ordnung, das ist kein Hörspiel mehr für zehnjährige, sondern für sechsjährige, die durchdenken das vielleicht nicht nach solchen Gesichtspunkten, aber trotzdem.) Garantiert sind alle Villen extrem gut gesichert. Unter anderem durch Alarmanlagen. Als TKKG-Fan ist das alles bekannt, es ist ja nicht der erste Diebstahlversuch in der Eichenallee. Schon öfter wurden Besitzer weggelockt, wobei dann die Verbrecher im Voraus immer Kenntnisse der Objektsicherung hatten und wussten, wie sie diese umgehen und deaktivieren können. Das scheint hier nicht gegeben zu sein. Bei so vielen Häusern und der nicht erkennbaren Verbindung der Halunken mit Kreisen, die ihnen diese Infos beschaffen könnten. Außerdem sind sie nur zur dritt. Da gibt es auch logistische Probleme: Wie schnell können sie alles Wertvolle beschaffen, wie transportieren und wie viel Zeit haben sie, ehe die Besitzer zurückkehren, die Polizei aufmerksam wird? Jetzt haben sie einen Transporter für zig Häuser, wo doch schon die Millionendiebe einen für ein Haus brauchten.

Als Plan A nicht mehr funktioniert, kommt Plan B zum Einsatz. Dabei wird jedoch vergessen, was für Werte im Juweliergeschäft liegen, wie diese zu Geld gemacht werden können und insbesondere zu welchen Konditionen. Und das Argument: Ein Fluchtauto fiele auf zieht nicht so ganz, denn nach einem Weg durch die Kanalisation fahren sie doch mit dem Auto. Laut Erzähler halsbrecherisch schnell, sodass sie erst recht bemerkt werden. Müssen sie so schnell unterwegs sein, weil sie sonst ihren Flug verpassen würden? Ebenfalls verwundert mich, dass der Big Boss seine Komplizen nicht hintergeht. Die Beute fällt so schon knapp aus und seine Identität ist auch aufgedeckt, sodass seine Handlager der Polizei nichts verraten könnten, was nicht durch Gaby bekannt würde.

Positiv (und zugleich negativ) an dem Hörspiel ist der Dialog vom Gangsterboss mit seinen Handlagern vor Gaby. Amüsant ist er, da er sich als intelligenter Boss aufspielt und seine Kumpanen wie Idioten behandelt. Das erinnert an Big Boss mit Konfetti Karl und Zahnstocher Ede aus TKKG – Der Club der Detektive. Das ist sehr gelungen, wäre aber als Gangsterdialog besser, denn so wird der Chef ebenfalls als unbedacht handelnde Person gemarkert. Anstatt seine Komplizen anzurufen, geht er persönlich in das Juweliergeschäft und fragt, was so lange dauert. Wenn eine Handyverbindung nicht möglich gewesen wäre, so hätte er in das Geschäft gehen können und so agieren, dass seine Rolle im Trickbetrug nicht auffällt.

Das Beste: Die Verbrecher hätten sich relativ einfach aus der Affäre ziehen können. Zum Ersten wäre natürlich die Flucht der als Polizisten verkleideten Personen möglich gewesen. Sie hätten untertauchen können oder darauf spekulieren, dass sie nicht erkannt werden, wenn sie sich unverkleidet bewegen. Ist ja immerhin eine Millionenstadt. Und zweitens hätten sie, wenn sie doch mal geschnappt worden wären, weil Gaby eine Anzeige aufgegeben hätte (denn nur dann würde die Polizei aktiv werden), einfach sagen können, aus Jux und Tollerei das mal ausprobiert zu haben, ohne Hintergedanken. Nachweisen könnte man ihnen nichts und die einzige Straftat wäre wohl Amtsanmaßung gewesen, auf das eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Freiheitsentzug steht, was bestimmt auf das Geld oder eine Strafe auf Bewährung hinausgelaufen wäre, denn einen großen Schäden hätte es nicht gegeben. Kaputt gemacht haben sich das die Trickbetrüger natürlich durch Gabys Freiheitsberaubung. Als Gaby sie mit ihrem Vater bedroht hat, hätten sie einfach fliehen müssen oder erklären, sie hätten nur ein Scherz gemacht, würden die Gutgläubigkeit der Bürger prüfen oder Ähnliches. Vielleicht schreiben sie für einen Internetblog einen Artikel?
Das wäre auch ein interessantes Ende gewesen: ein geplantes, aber nicht nachweisbares Verbrechen, wodurch dann keine Strafe oder nur eine geringe ansteht, je nach Verhalten. Durch einen Gangsterdialog hätten die wahren Absichten offenbart werden können. Das heißt der „Big Boss“ hätte seine Handlager wirklich richtig gut – vielleicht noch lustiger als jetzt – zur Schnecke machen können und das ohne unwillkommene Zeugin.

Das Hörspiel ist zweigeteilt: TKK ermitteln, Gaby wird entführt und stellt dabei sicher, dass die Verbrecher dennoch geschnappt werden.
Die Ermittlungen von TKK sind selten dämlich. Ebenso wie Gaby machen sie alles verkehrt: Sie handeln ohne das am nächsten Liegende, Sicherste zu tun. Anstatt im Archiv zu prüfen, wie realistisch eine Fliegerbombe in der Eichenallee ist, hätten sie einfach Kommissar Glockner anrufen können (wie auch Gaby es hätte tun sollen, nachdem sie auf den Trick der Verbrecher eingegangen wäre). Er hätte leicht bestätigen können, ob es die besagte Bombenwarnung gibt. Denn so etwas wüsste er oder könnte es schnell überprüfen. Und schon wäre das Rätsel gelöst. Das ist auch ein weiterer Schwachpunkt von Plan A der Gangster: Was ist, wenn jemand von der Evakuierung anderen erzählt? Da ruft doch bestimmt einer irgendwann die Polizei an und fragt, wann sie die sichere Rückkehr ansteht. Außerdem wird von solchen Sachen immer im Radio berichtet. Da wäre die Polizei auch schnell auf die Sache aufmerksam geworden.
Interessant ist ebenfalls, dass TKK Kommissar Glockner auch nach dem Fund ihrer Ergebnisse nicht gleich anrufen …

Für die Zukunft wünsche ich mir doch mehr Serienkenntnis bei den Autoren und durchdachte Geschichten. Ich bin schon auf die nächste Hörspielfolge gespannt, bei der alte Bekannte wieder auftauchen. Das klingt vielversprechend!


Fazit
Dieses Hörspiel verschenkt viel Potenzial. Es gibt einen langen belanglosen Einstieg mit Stephen King und anderen Kinofilmen, Gaby in Mutterrolle, die über die Männer herrscht, ein Oskar, der in den Gulli fällt, ein Hauptteil mit sinnloser Recherche und einer erzwungenen Entführung. Der Fall hätte bereits im dritten oder vierten Track durch einen Anruf bei Kommissar Glockner gelöst werden können. Hinzu kommen einige Logikfehler (nur teilweise hier genannt), undurchdachtes Verhalten und nutzlose Pläne. Über all das muss hinweggesehen werden. Dann bleibt ein solides Hörspiel mit tollen Sprechern, einer lustigen Big-Boss-Szene und Gaby als Heldin, die trotz selbst verschuldeter Not noch ein Ass aus der Socke zaubert.

Score
55%
Verfasst am: 18.08.2013