Band 037: Hotel in Flammen

Band 037: Hotel in Flammen
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15036-8
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Leseprobe

llustration von Seite 76.
llustration von Seite 76.

„Wahnsinn - wie mich das in den Zwiespalt stürzt", sagte Gaby drei Tage vor den Osterferien. „Einerseits gibt's da Jörg, diesen Kotzbrocken. Das ist Grund genug, sich Bad Neuzeil nie zu nähern. Andererseits fleht Tante Isa um Hilfe."
Verblüfft sahen ihre drei Freunde - Tim, Karl und Klößchen - sie an.
„Du hast dich schon mal deutlicher ausgedrückt", sagte Tim, der früher Tarzan genannt wurde.
Klößchen nickte. „Im Januar war das. So um den 20. herum. Ich erinnere mich."
Gaby funkelte ihn an. „Hahahah!"
„Ssssst!" Karl rief die Jungs zur Ordnung. „Keine Witze! Merkt ihr denn nicht? Unsere Pfote steckt noch bis zum Hals im Zwiespalt."
Er meinte das ganz spottfrei. Aber Gaby empfand es als spöttisch und bohrte ihm den Ellbogen in die mageren Rippen.
Karl japste wie Oskar, wenn der ein gebratenes Huhn riecht, und seine Brillengläser beschlugen.
„So kommen wir nicht weiter", feixte Tim. Besänftigend legte er beide Arme um Gaby. „Nun erzähl doch mal der Reihe nach. Wer sind Jörg und Tante Isa? Bad Neuzeil kenne ich -jedenfalls aus der Zeitung. Steht immer unter REISE UND ERHOLUNG. Ein Kurort, nicht wahr?"
Gaby schüttelte seine Arme ab.
Ihr Gemütszustand war ,zwiebelig', wie Klößchen schon in der ersten Pause festgestellt hatte.
Jetzt befand man sich in der letzten, und die Frühlingssonne tauchte den Pausenhof in ein Grellicht - vergleichbar nur mit der Miitagsbeleuchtung zur Sommerzeit am Mittelmeer. Kurzum, es war sonnig und hell.
„Jaja, Bad Neuzell ist ein Kurort .", fauchte Gaby. Abe dann lachte sie über sich selbst. „Tante Isa ist meine Tante Isabel. Eine pfundige Person. Und natürlich habe ich euch längst von ihr erzählt, aber eure Gedächtnisse werden ja von Tag zu Tag schlechter."
„Hm!" Karl, bekannt für sein Computer-Gehirn, räusperte sich. „Ich erinnere mich wirklich nicht. Ist ja auch egal. Also: Die pfundige Tante Isabel, Isa geheißen, ist in Bad Neuzeil und ruft um Hilfe."
„Wird sie bedroht?" erkundigte sich Klößchen. „Nicht direkt. Jedenfalls nicht an Leib und Leben", antwortete Gaby. „Aber ihre Existenz (Lebensgrundlage) wird unterhöhlt."
„Verstehe!" nickte Tim. „Sie übt einen aussterbenden Beruf aus."
„Das würde ich nicht sagen. Sie besitzt ein Hotel."
„Jetzt weiß ich's", rief Tim. „Davon hast du wirklich erzählt. Warst mit deinen Eltern mal dort - vor drei Jahren, nicht wahr? Aber bei dir hieß es immer: Onkel und Tante. Gibt's den Onkel nicht mehr?"
„Tante Isa hat sich scheiden lassen. Mußte sein. Valentin Köschen sei der Irrtum ihres Lebens, sagt sie. Er sah phantastisch gut aus - noch besser als der neue Zeichenlehrer. Aber er war und ist ein Nichtstuer, der andere für sich arbeiten läßt, das Geld verschwendet und zuviel Alkohol trinkt. Jörg ist sein Sohn. Valentin Köschen war schon mal verheiratet. Aus der Ehe stammt der Typ. Also ist Tante Isa nur die Stiefmutter."
Tim und Karl nickten. Sie hatten vollen Durchblick. Nicht so Klößchen.
„Komplizierte Verwandtschaft", meinte er. „Kaum zu begreifen."
„Ich erinnere mich", sagte Gaby, „daß du mal was kapiert hast, das fast genauso schwierig war. Im Januar muß das gewesen sein. So um den 20. herum."
Die Jungs grinsten.

Illustration von Seite 137.
Illustration von Seite 137.

Besorgt sah Tim zur Uhr. „Gleich klingelt's, und den Knackpunkt hast du noch immer nicht rausgelassen. Von wegen Kotzbrocken und Hilferuf."
Gaby nickte. „Ich mache es kurz. Zum Kotzbrocken: Jörg ist ekelhaft, faul und hinterhältig. Er wurde im Januar 18. Bei der Scheidung vor zwei Jahren hat man ihn Tante Isa zugesprochen. Weil sie in geordneten Verhältnissen lebt, hingegen Valentin Köschen in eine Trinkerheilanstalt eingewiesen wurde. Aber genutzt hat das offenbar nichts. Jörg wohnt noch immer bei Tante Isa. Sie fühlt sich verantwortlich für dieses Ungeheuer - und wie ich sie kenne, ist sie riesig nett zu ihm. Er dankt es ihr, indem er keinen Finger krumm macht, sondern nur rumgammelt. So ein Typ ist das also, so ein mieser."
„Und", fragte Tim, „der Hilferuf?"
„Bad Neuzeil erlebt zur Zeit einen Super-Boom (Aufschwung) . Weil dort eine Heilquelle entdeckt wurde, die so ungefähr alles heilt. Von Fettsucht", sie sah Klößchen an, „bis zum Warzenbefall."
„Aber das untermauert die Daseinsgrundlage für ein Hotel", sagte Tim. „Du sprachst vom Unterhöhlen."
„Leider wird unterhöhlt, nicht untermauert. Denn der Kuchen reicht nicht für alle. Was Tante Isa am Telefon sagte, ist dies: Die berühmte amerikanische Hotelkette Weekend (Wochenende) hat einen riesigen Gästeschuppen in Bad Neuzell gebaut: ein Super-Hotel mit allem Drum und Dran. Weil die Weekender natürlich die Nase im Wind haben und checken, daß dort was zu holen ist. Das Hotel heißt Weekend und fängt alle Gäste für sich ein. Für die anderen, viel kleineren Hotels, bleiben keine übrig. Jedenfalls nicht genug. Das meinte ich mit Kuchen. Aber das ist noch nicht das Schlimmste."
„Noch schlimmer?" Tim hob die Brauen.
„Viel schlimmer", fuhr sie fort. „Das Weekend-Hotel zieht nämlich alle Arbeitskräfte an sich. In der Hotelbranche sind gute Leute knapp. Weil der Arbeitstag so lang ist, gibt's die nicht so haufenweise wie Lehrer, Zahnärzte oder Maurer. Außerdem müssen die Hotelfachkräfte immer gerade dann ranklotzen, wenn andere Leute frei haben und feiern: abends, an Wochenenden, sonntags. Die Weekend-Hotelkette hat Geld,
kann also mehr bezahlen als die einheimischen Hoteliers. So kommt es, daß alle beim Weekend jobben: Kellner, Zimmermädchen, Portiers, Köche, Hausdiener, Pagen. Tante Isas ERLENHOF - so heißt ihr Hotel - leidet unter Personalmangel. Deshalb ruft sie - sozusagen - um Hilfe."
„Eine Küche ohne Köche", meinte Klößchen, „stelle ich mir schrecklich vor."
„Es hat längst geläutet", fiel ihm Tim ins Wort. „Wir müssen rein."
Alle wandten sich dem Hauptportal zu.
„Jedenfalls", sagte Gaby, „lasse ich Tante Isa nicht im Stich. Trotz Stiefsohn Jörg."
„Was meinst du damit?" forschte Tim.
„Ich habe mich entschlossen, ihr zu helfen. Übermorgen fahre ich nach Bad Neuzell. Für mindestens eine Woche wohne ich im Erlenhof. Aber nicht als Gast, sondern als Zimmermädchen, Büro- und Küchenhilfe. Was so anfällt. Wenn's sein muß, schleppe ich auch Koffer."
„Ouuuh!" jaulte Karl. „Da kriegt deine Tante aber Ärger. Nach dem Jugendschutzgesetz ist es streng verboten, eine 13jährige Arbeitskraft zu beschäftigen."
„Weiß ich", schmetterte Gaby ihn ab. „Wer sagt denn was von Arbeitskraft mit Gehalt und Krankenversicherung? Ich bin die liebe Nichte, weile besuchsweise dort und gehe ein bißchen zur Hand, wie das in jeder Familie üblich ist. Klar?"
„Du könntest dir das Kreuz ausrenken", gab Klößchen zu bedenken. „Manche Koffer sind nämlich zentnerschwer."
„Wenn du mit deinem Schokoladen-Vorrat reist - dann bestimmt. Tante Isas Gäste kommen mit leichterem Gepäck."
„Also keine Schoko-Fans, sondern langweilige Typen."
„Hach, ist er wieder putzig heute", sagte Gaby zu den andern.
Tim lächelte mit der linken Mundseite. Aber nicht über seine Freunde - vielmehr war sein Lächeln nach innen gerichtet.
Ein Gedanke begann, sich gedankenschnell zu formen.