„Hoffentlich haben sie die blutgierigen Doggen angekettet", unkte Klößchen.
„Hier gibt's keine Hunde", sagte Gaby.
„Etzel bellt selbst", nickte Klößchen. „Ich habe schon gehört, daß er ständig heiser ist. O weh, mir wird himmelangst, wenn ich an heute abend denke. Hätte ich mich doch nur nicht drauf eingelassen!"
„Niemand hat dich gezwungen", grinste Karl.
„Doch. Der Andy. Indirekt schon. So nach der Methode: Das traust du dich nicht! Da konnte ich nicht zurückweichen. Man hat ja schließlich einen Ruf zu verteidigen. Oder hätte ich mich als Mitglied der TKKG-Bande blamieren sollen?"
„Jetzt ist ohnehin nichts zu ändern", sagte Gaby, während sie über die Auffahrt radelten. „Außerdem bist du nicht allein. Tim ist dabei."
„Und was soll euch schon passieren?" feixte Karl. „Ihr könnt euch höchstens eine Lungenentzündung holen, Erfrierungen an einzelnen Körperteilen oder überall. Verhungern oder verdursten könnt ihr nicht. Das schaffst nicht mal du, Willi, in nur dreieinhalb Tagen. Vielleicht werdet ihr überfallen. Falls man euch umbringen will, besteht kein Grund zur Panik, denn da vertraue ich ganz auf Tims fernöstliche Kampfkunst."
„Du kannst einem Mut machen", seufzte Klößchen.
Dann hatte Tim, der wie immer voranfuhr, die Villa erreicht und bremste vor der breiten Marmor-Treppe.
Caroline eilte herab, umarmte Gaby und gab den Jungs die Hand. Etzels Enkelin freute sich und war ein bißchen aufgeregt. Immerhin trat sie hier als Gastgeberin auf.
Sie war 14, ging in die 9a der Internats-Schule, also in die Parallel-Klasse, und war inniglich befreundet mit Andreas Bernholt, genannt Andy, der wiederum als Klassenkamerad der TKKG-Bande in der 9b hockte.
Caroline war größer als Gaby, aber schlank wie Welsches Weidelgras und sehr zart. Zu dieser zerbrechlichen Erscheinung paßte es nicht, daß sie die heisere Stimme ihres Großvaters geerbt hatte. Über den dummen Witz, ob sie jeden Morgen mit Reißnägeln gurgele, konnte Caroline schon lange nicht mehr lachen. Meistens trug sie ihr rotes Haar als Mittelzopf; und in den rehbraunen Augen lag immer ein schwermütiger Ausdruck.
„Großvater ist ganz gespannt auf euch", verkündete sie. „Er will in allen Einzelheiten wissen, wie das gelaufen ist mit der Wette. Andy kommt später. Er hat wieder Ärger mit seinem Stiefvater, bringt aber dann die Sachen für euch mit." Gemeint waren Textilien für Tim und Klößchen.
Es mußten alte, zerschlissene, total schäbige sein. Keiner als Andy kam leichter an die ran. Denn seine Mutter bekleidete Ehrenämter und Vorsitz in einigen mitmenschlich-fürsorgenden Organisationen, die bekanntlich des öfteren Altkleider-Sammlungen veranstalten, damit die Bedürftigen -meistens jene in der Dritten Welt (Entwicklungsländer) - wenigstens ein paar Kleider haben.
„Hoffentlich findet er für mich was Passendes", meinte Klößchen, „mit den Normal-Größen tue ich mich schwer." „Andy hat deinen Bauchumfang mit den Zentimertermaß gemessen", sagte Tim, „und er vergißt keine Zahlen."
„Vor allem nicht so große", nickte Karl.
„Hahaha", meckerte Klößchen. „Wer wagt sich denn in die Verwahrlosung, in die Gosse, in die Hölle der Unbequemlichkeit - du oder ich?"
"Streitet nicht! Benehmt euch sittsam!" befahl Gaby. „Wir begeben uns jetzt zu Herrn von Färber zum Tee."
Carolines Opa wartete in einem salonartigen Terrassenzimmer der Pracht-Villa. Es lag nach Südwesten hin und hatte eine bis zum Boden reichende Glasfront, die mit Bleirahmen vielfach aufgeteilt war - aber heute trotzdem keine Sonne einfing wegen der tiefhängenden Wolken über Stadt und Land.
„Aha, deine Freunde, Linchen", heiserte Friedrich-Etzel von Färber.
Caroline zuckte zusammen, als hätte der Zahnarzt ihr auf einem Nerv gebohrt. Sie liebte ihren Großvater, haßte es aber, wenn er sie Linchen nannte.
Der Oldie ahnte das nicht und war schon zu alt, als daß man es ihm hätte verklickern können. Mit 81 Jahren haben sich Gewohnheiten und ein bißchen Starrsinn eingeschliffen. Die wenigsten lernen noch dazu, und ändern will sich in diesem Alter keiner mehr.
Caroline stellte die Jungs vor.