Band 050: Sklaven für Wutawia / Der Gauner mit der 'Goldenen Hand'

Band 050: Sklaven für Wutawia / Der Gauner mit der 'Goldenen Hand'
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15049-8
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Leseprobe

llustration von Seite 29.
llustration von Seite 29.

Das Ereignis warf drohende Schatten voraus, drückte auf die Stimmung wie dieser düstere Herbsttag. Insgeheim fragte sich Klößchen, ob er da nicht eine Riesen-Eselei begangen hatte. Aber jetzt war es zur Umkehr zu spät. Man hätte ihm die Ehre abgeschnitten.
Tim sah das locker. Er stufte das Vorhaben ein als eine Art Abenteuer-Urlaub. Und sowas ist bekanntlich ganz nach der Nase des TKKG-Häuptlings, den man früher Tarzan genannt hat.
Jetzt - es war am Freitagnachmittag und eher früh - galt es erstmal Abschied zu feiern von der Zivilisation (den modernen Lebensbedingungen) und all ihren Annehmlichkeiten. Selbstverständlich waren Karl und Gaby dabei.
„Wir sind da", sagte Tims Freundin, pustete gegen ihren goldblonden Pony und hielt mit ihrem Drahtesel vor einem schmiedeeisernen Tor.
Es war etwa zweieinhalb Meter hoch, schätzte Tim. Oben liefen die grüngestrichenen Eisenstreben in Speerspitzen aus. Rechts und links der begrenzenden Steinpfeiler - aus jedem hätte man ein Denkmal herausmeißeln können - setzte sich der Zaun in gleicher Höhe und aus gleichem Material fort.
Die TKKG-Bande blickte durch die Eisenstreben in einen weitläufigen Park: scheinbar endloser Rasen mit Mulden und Hügeln, gut verteilt prächtige Rotbuchen, Ulmen und Libanonzedern.
Zu der weit hinten liegenden Villa führte eine geschwungene Auffahrt. Der Himmel mochte wissen, weshalb die vielen Kurven nötig waren. Daß die Villa höchstens 20 Zimmer enthielt - na gut, 22 -, konnte man aus der Ferne erkennen.
„So bescheiden habe ich mir das nicht vorgestellt", sagte Tim. „Wie oft warst du schon hier, Gaby?"
„Keine Ahnung". Sie hob die Achseln unter ihrem bunten Strick-Poncho. „Ich zähle es doch nicht, wie oft ich meine drittbeste Freundin besuche. Außerdem ist das nicht Carolines Adresse. Ihr Großvater wohnt hier."
„Friedrich-Etzel von Färber", nickte Klößchen. „Vor einigen Jahren war der mal irre klamm mit Kohle. Es hieß, daß er die ganze Landschaft hier verkaufen müsse. Mein Vater, der weitbeste Schokoladen-Fabrikant, wollte zugreifen und hatte schon verhandelt mit dem alten Etzel. Aber dann wendete sich an der Börse das Blättchen. Etzels Aktien stiegen aus dem Keller übers Dach hoch, und seitdem ist Carolines Opa reicher denn je."
„Du liebe Güte!" murmelte Tim. „Unsereins wünscht sich ein neues Paar Trainingsschuhe zu Weihnachten und ist damit glücklich."
„Du bist ja auch nicht Eigentümer der größten Bier-Brauerei", meinte Karl. „Herr von Färber war das. Tja, und daß Caroline hier gern herumschweift statt unten in der Stadt - das kann man verstehen."
„Am Hang Nummer eins", nickte Tim. „Klingt tiefgestapelt für so eine Adresse."
Er wandte den Oberkörper, blieb aber auf dem Sattel seines Rennrades und blickte abwärts.
Die Am-Hang-Straße lag gut 100 Meter über der Stadt, zog sich an den östlichen Hügeln hinauf - inmitten herrlich frischer Luft und neben ausgedehnten Wäldern.
„Wie kommen wir rein?" fragte Karl. „Wir sind zum Tee eingeladen. Das Grundstück haben wir nun bewundert."
„So geht das!" Gaby drückte auf einen fast verborgenen Klingelknopf am rechten Pfeiler.
Nur drei Sekunden vergingen. Dann drang Carolines frische Stimme aus den Metallrippen der Gegensprechanlage.
„Wer ist da?"
„Wir sind's", antwortete Gaby.
„Prima. Ich drücke auf den Summer."
Der automatische Öffner funktionierte einwandfrei, wie Tim feststellte.
Das Sicherheitsschloß am Tor summte und zitterte, dann öffneten sich die beiden Flügel wie von Geisterhand.

Illustration von Seite 168.
Illustration von Seite 168.

„Hoffentlich haben sie die blutgierigen Doggen angekettet", unkte Klößchen.
„Hier gibt's keine Hunde", sagte Gaby.
„Etzel bellt selbst", nickte Klößchen. „Ich habe schon gehört, daß er ständig heiser ist. O weh, mir wird himmelangst, wenn ich an heute abend denke. Hätte ich mich doch nur nicht drauf eingelassen!"
„Niemand hat dich gezwungen", grinste Karl.
„Doch. Der Andy. Indirekt schon. So nach der Methode: Das traust du dich nicht! Da konnte ich nicht zurückweichen. Man hat ja schließlich einen Ruf zu verteidigen. Oder hätte ich mich als Mitglied der TKKG-Bande blamieren sollen?"
„Jetzt ist ohnehin nichts zu ändern", sagte Gaby, während sie über die Auffahrt radelten. „Außerdem bist du nicht allein. Tim ist dabei."
„Und was soll euch schon passieren?" feixte Karl. „Ihr könnt euch höchstens eine Lungenentzündung holen, Erfrierungen an einzelnen Körperteilen oder überall. Verhungern oder verdursten könnt ihr nicht. Das schaffst nicht mal du, Willi, in nur dreieinhalb Tagen. Vielleicht werdet ihr überfallen. Falls man euch umbringen will, besteht kein Grund zur Panik, denn da vertraue ich ganz auf Tims fernöstliche Kampfkunst."
„Du kannst einem Mut machen", seufzte Klößchen.
Dann hatte Tim, der wie immer voranfuhr, die Villa erreicht und bremste vor der breiten Marmor-Treppe.
Caroline eilte herab, umarmte Gaby und gab den Jungs die Hand. Etzels Enkelin freute sich und war ein bißchen aufgeregt. Immerhin trat sie hier als Gastgeberin auf.
Sie war 14, ging in die 9a der Internats-Schule, also in die Parallel-Klasse, und war inniglich befreundet mit Andreas Bernholt, genannt Andy, der wiederum als Klassenkamerad der TKKG-Bande in der 9b hockte.
Caroline war größer als Gaby, aber schlank wie Welsches Weidelgras und sehr zart. Zu dieser zerbrechlichen Erscheinung paßte es nicht, daß sie die heisere Stimme ihres Großvaters geerbt hatte. Über den dummen Witz, ob sie jeden Morgen mit Reißnägeln gurgele, konnte Caroline schon lange nicht mehr lachen. Meistens trug sie ihr rotes Haar als Mittelzopf; und in den rehbraunen Augen lag immer ein schwermütiger Ausdruck.
„Großvater ist ganz gespannt auf euch", verkündete sie. „Er will in allen Einzelheiten wissen, wie das gelaufen ist mit der Wette. Andy kommt später. Er hat wieder Ärger mit seinem Stiefvater, bringt aber dann die Sachen für euch mit." Gemeint waren Textilien für Tim und Klößchen.
Es mußten alte, zerschlissene, total schäbige sein. Keiner als Andy kam leichter an die ran. Denn seine Mutter bekleidete Ehrenämter und Vorsitz in einigen mitmenschlich-fürsorgenden Organisationen, die bekanntlich des öfteren Altkleider-Sammlungen veranstalten, damit die Bedürftigen -meistens jene in der Dritten Welt (Entwicklungsländer) - wenigstens ein paar Kleider haben.
„Hoffentlich findet er für mich was Passendes", meinte Klößchen, „mit den Normal-Größen tue ich mich schwer." „Andy hat deinen Bauchumfang mit den Zentimertermaß gemessen", sagte Tim, „und er vergißt keine Zahlen."
„Vor allem nicht so große", nickte Karl.
„Hahaha", meckerte Klößchen. „Wer wagt sich denn in die Verwahrlosung, in die Gosse, in die Hölle der Unbequemlichkeit - du oder ich?"
"Streitet nicht! Benehmt euch sittsam!" befahl Gaby. „Wir begeben uns jetzt zu Herrn von Färber zum Tee."
Carolines Opa wartete in einem salonartigen Terrassenzimmer der Pracht-Villa. Es lag nach Südwesten hin und hatte eine bis zum Boden reichende Glasfront, die mit Bleirahmen vielfach aufgeteilt war - aber heute trotzdem keine Sonne einfing wegen der tiefhängenden Wolken über Stadt und Land.
„Aha, deine Freunde, Linchen", heiserte Friedrich-Etzel von Färber.
Caroline zuckte zusammen, als hätte der Zahnarzt ihr auf einem Nerv gebohrt. Sie liebte ihren Großvater, haßte es aber, wenn er sie Linchen nannte.
Der Oldie ahnte das nicht und war schon zu alt, als daß man es ihm hätte verklickern können. Mit 81 Jahren haben sich Gewohnheiten und ein bißchen Starrsinn eingeschliffen. Die wenigsten lernen noch dazu, und ändern will sich in diesem Alter keiner mehr.
Caroline stellte die Jungs vor.