Band 061: Weißes Gift im Nachtexpress

Band 061: Weißes Gift im Nachtexpress
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15060-3
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90%

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Rezensionenübersicht

Ein Zeitdokument

Eine Rezension von Hauke

Dieses Buch ist nahezu ein Zeitdokument. Die Handlung findet namentlich vor der Jahrtausendwende und nach der Wiedervereinigung statt, in einer Zeit, in der die Grenzen noch nicht lange geöffnet sind. Aus Ostdeutschland besuchen die Menschen ihre Verwandten in Westdeutschland und machen sich sorgen um untergetauchtes Stasipersonal.

Zum zweiten Mal in der Buchreihe werden konkrete Jahresangaben gemacht, die auf das Geburtsjahr der Menschen schließen lassen oder diese Personen im Jahre 2011 zu Greisen machen würde. Erneut wird die hohe Verschuldung der Bundesbahn angesprochen. Kurioserweise sind im Erscheinungsjahr des Buches – 1991 – diese Verbindlichkeiten vom Bund übernommen worden. Gut gefallen hat mir die Beschreibung der Schließung unwirtschaftlicher Bahnstrecken, die ab dem Zeitpunkt durch die roten Bahnbusse ersetzt wurden. Das war zu der Zeit ein großes Thema.

Zur Kontinuität lässt sich sagen, dass Frau Glockners Geschäft nun wieder als Lebensmittelladen tituliert wird. Der Autor scheint zwischen Feinkost- und Lebensmittelgeschäft nicht zu unterscheiden.
Gefreut hat mich das Aufgreifen des Nachnamens der Sauerlich-Köchin Amalie: Dessart. Bisher fiel der vollständige Name nur in Band 22.

Negativ aufgefallen ist mir der weitergehende Trend der Anglizismen. „Kids“ störte mich nie sonderlich, daher habe ich das bei meinen vorhergehenden Rezensionen nicht erwähnt. Nun gab es aber zusätzlich die Begriffe „Street-Entertainer“ (Straßenkünstler) und „Drinks“ (Getränke). Ersteres hätte wirklich wegfallen können.

Geschockt hat mich der ungesühnte Alkoholausschank an Minderjährige und der Alkoholkonsum von TKKG – obschon aus Neugier. Die Szene mag lustig sein, passt aber nicht zur ansonsten gepredigten Moral. Hier die Stelle aus dem Buch dazu:

Tim schnippte der Serviererin, die gerade in der Nähe stand.
„Was enthält der Nebel?“
Sie lachte. „Whiskey und Milch.“
„Gütiger Himmel“, meinte Karl. „Mir ist schon ganz dreherig hinter der Brille.“
Alle kosteten und entschieden einstimmig, dass es ein Jammer sei, die schöne Milch so zu versauen.

Ein sehr schönen Beispiel für die Doppelmoral ist das folgende Zitat von Tim, bei dem es um die Selbstjustiz von Herrn Streiwitz geht.

„[…] Echt, meine Sympathie ist bei Streiwitz. Aber unser Rechtsstaat muß Rechtsstaat bleiben. Selbstjustiz geht nicht.“

In diesem Buch betreibt Tim keine Selbstjustiz, in anderen Werken ist er aber dicht dran oder betreibt sie aktiv, ohne am Ende dafür belangt zu werden, weil das Ergebnis stimmt oder es „verheimlicht“ wird. Für Tim ist es also durchaus legitim – der Zweck heiligt die Mittel. Bei anderen, „guten“ Menschen auch, sofern sie keine Strafe durch Deckung von TKKG erwartet. Sind die „Guten“ am Ende aber „unschuldig“, so darf vorher hart gerichtet werden: Verständnis ok, aber so darf nicht gehandelt werden.

In diesem Fall denkt Tim zu kurzfristig und erhält für jede seiner Eigenmächtigkeiten eine ordentliche Standpauke von Glockner – weil eben nicht alles gut geht, wie üblicherweise: Es trifft die Falschen oder es entsteht mehr Arbeit.

Die Beschreibung von sogenannten „Pennern“ ist wiedermal sehr negativ geraten. Ein Obdachloser muss schlechte Zähne haben usw. usf. Bei den Türken werden glücklicherweise beide Seiten gezeigt: der verbrecherische Türke und der gute: gastfreundlich, hilfsbereit, fleißig.

Die Coverszene wird auf der letzten Seite vom Erzähler wiedergegeben. Das vermittelt den Eindruck, der Autor habe die für den Illustrator geschilderte Situation nicht mehr so umgesetzt, wie bei der Buchidee angedacht, da der zeitliche Abstand zum Schreiben des Manuskripts so groß war und die Erinnerung nachließ. Natürlich musste der Bezug bestehen bleiben, daher die Abkürzung. Alternativ könnte ich mir vorstellen, dass aufgrund des Buchumfangs die Szene entfernt werden musste. Oder es sollte tatsächlich von Anfang an so sein.

Fazit
Jedes TKKG-Buch nimmt das aktuelle Geschehen auf. Meistens werden jedoch explizite Angaben vermieden. Das ist hier nicht so und äußerst gut: Das Buch ist ein wenig wie ein Zeitdokument. Es ist spannend geschrieben und die Folgen der Handlungen sind ungewöhnlich hart. Tim versagt immer wieder und wird von Kommissar Glockner getadelt. Eine Seltenheit. Insgesamt ein hervorragendes fesselndes Buch mit einigen serientypischen Schwachstellen.

Score
90%
Verfasst am: 24.02.2011