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Interview mit TKKG-Autor Christian Schloßer
Verfasst von Hauke am 16.08.2012, 05:50 in Interviews, Zum Spielen
- Christian Schloßer
Christian Schloßer ist der Autor der meisten TKKG-Computerspiele von Tivola. Im ausführlichen Interview spricht er über seine Arbeit, seine Ideen und das Besondere beim Schreiben für TKKG und Computerspiele.
Stellen Sie sich bitte vor.
Zur Welt gekommen bin ich 1965 und zwar im Westteil Berlins. Ich habe an der FU Germanistik, Publizistik und Bibliothekswissenschaft studiert. Anschließend volontierte ich in einem Verlag für Szeneführer und blieb den Printmedien treu. Ich lernte alles um Publikation und Vertrieb von Belletristik, Sachbüchern, Reiseführern und Lifestyle-Magazinen kennen, schrieb als fester Mitarbeiter Artikel und Rezensionen und betreute Buchprojekte mit. Später wandte ich mich der Öffentlichkeitsarbeit zu. Da ging es dann um ausgewählte Berliner Museen. Nebenher jobbte ich als Erziehungshelfer in der Einzelfallhilfe, ließ mich als Komparse vermitteln und verfasste Texte, wann immer sich ein Auftrag ergab. 2001 machte ich mich als freier Autor selbstständig. Meine kreative Mitte liegt im Berliner Bezirk Charlottenburg.
Seit wann sind Sie Autor?
Eigentlich seitdem ich als Kind eine alte Reiseschreibmaschine geschenkt bekommen habe. In den 80ern hatte ich unglaublich viel Zeug für die Schublade produziert. Dann reichte ich hier und da etwas ein. 1987 hatte ich Erfolg mit Rätselgeschichten im Rahmen eines Wettbewerbs vom Rowohlt Verlag, danach vor allem mit Märchen für die liebevoll gestalteten Anthologien des kleinen Metta Kinau Verlags. Die Nordlichter veröffentlichten auch ein Kinderbuch von mir: »Potzbor & Laberkopf«, mein Gesellenstück. Mitte der 90er orientierte ich mich neu. Ich machte eine Fortbildung im Bereich »interaktive Medien« mit dem Ziel, bei der Entwicklung von Computerspielen mitzuwirken. Die fand ich seit »Day of the Tentacle « toll, überhaupt diese erfrischende Art und Weise, etwas nonlinear zu erzählen und dazu mit ganz abgefahrenem Humor.
Wie sind Sie TKKG-Autor geworden?
Im Rahmen der Fortbildung machte ich ein Praktikum im Tivola Verlag. Ich bewarb mich für den Bereich Konzeption und reichte meinen Lebenslauf als aufklappbares Brettspiel ein. Das war griffig und kam gut an. In Folge hatte ich Gelegenheit, mich in Arbeitsprozesse und Titelwelt des Verlags zu vertiefen. Damals gab es gerademal drei, vier TKKG-Fälle. Nicht lange nach Ablauf des Praktikums erhielt ich den Auftrag für ein Drehbuch zum ersten Titel aus der »Milli-Metha«-Reihe. Damit hatte ich die Feuerprobe bestanden. Die Tivolaner waren zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach jemand, der TKKG weiterführte, und so kam eins zum anderen.
Welche Herausforderungen gibt es beim Schreiben für eine Lizenz?
Die Herausforderung besteht für einen Autor darin, dem Kosmos gerecht zu werden mit all seinen Figuren und sämtlichen Erwartungshaltungen, die daran geknüpft sind. Auf der einen Seite sind da die treuen Fans mit ihren Wünschen, die sich weiterhin gut aufgehoben und unterhalten fühlen wollen. Der Wiedererkennungswert sollte groß sein. Auf der anderen Seiten haben wir das Marketing mit allen wirtschaftlichen und natürlich finanziellen Aspekten. Mir sind, das verrate ich unverhohlen, die Fans immer ein gutes Stück wichtiger und näher gewesen, sonst würde ich den Job nicht machen. Aber ich verstehe auch die andere Seite sehr gut. Ein Projektleiter muss wie ein Schießhund aufpassen, wo Kostenfallen entstehen, womit beim Programmieren zu rechnen ist und was sich gut verkauft und was weniger. Ich bewege mich also zwischen Projektleitung und Fans und mache mal hier, mal da Zugeständnisse. Wenn die Balance stimmt, bin ich beim Erstellen des Drehbuchs so konzentriert, dass ich nicht das Gefühl habe, überhaupt für eine Lizenzgeschichte zu schreiben. In diesem Moment ist alles »mein Schatz«, um mit Tolkiens Gollum zu sprechen. (Tatsächlich neigen ich in diesen Phasen zu Selbstgesprächen – bei TKKG in vierfacher Ausführung – und bin froh, unbeobachtet in meinem Arbeitszimmer zu sitzen.)
Haben Sie ein besonderes Vorgehen, sich in Lizenzen einzuarbeiten?
Mit den rechtlichen Dingen habe ich persönlich nie zu tun und bin dankbar dafür. Ich muss nur die ganz großen Spielregeln einhalten. Ansonsten hängt das Einarbeiten von mehreren Faktoren ab. Handelt es sich um eine Themenwelt, die mir vertraut ist, dann fällt es mir eher leicht, zum Beispiel »Biene Maja«. Die kenne ich selber von der TV-Erstausstrahlung und habe sofort eine Vorstellung von ihrer Welt. Es reicht dann, sich ein paar Folgen anzusehen, und alles ist wieder da. Meine »Bibi Blocksberg«-Kenntnisse dagegen waren vage. Ich tat mich zunächst generell etwas schwer mit »Pferdchen für Mädchen«-Welten. Aber hier gab es eine Bibel mit exakten Vorgaben. Das ist so, als spielte man Jurist und würde sich in einen Gesetzeskodex einlesen. Hat man alles verinnerlicht, macht die Sache tatsächlich Spaß. Und erstellt man Drehbücher für Folgetitel, fällt die Arbeit leichter. Beim »Räuber Hotzenplotz« musste ich aber aufpassen, nicht aus Ehrfurcht zu erstarren. Sich da einzuarbeiten bedeutete, die Bücher aus der eigenen Kindheit mit ganz anderen Augen zu lesen.
Spielten Sie die ersten vier TKKG-CD-ROMs, um die Reihe fortzuführen? - Wie haben Sie sich speziell für TKKG vorbereitet?
Ich habe die ersten vier Titel während meines Praktikums gespielt. Damals riefen Kinder, wenn sie nicht weiterkamen, eine Hotline des Tivola Verlags an. An einem Freitag – irgendwann am späten Nachmittag – meldete sich ein Junge, aber leider war gerade kein Mitarbeiter zur Hand, der die Antwort kannte. Es ging um »Tödliche Schokolade«. Also landete der Anruf bei mir. Kurz gesagt, ich konnte dem Jungen, den ich auf 8 Jahre schätzte, helfen. Die Angelegenheit war ihm merklich wichtig, und ich sollte auch nicht zu viel verraten, nur die eine Stelle (irgendwas mit dem Eichhörnchen). Er war ganz gebannt von dem Fall, und wir tauschten uns aus wie Verschwörer, die ihre Vorgehensweise abchecken. Ein schönes Erlebnis. Beim Schreiben der Titel habe ich oft gedacht: Wie würde der Junge das verstehen, wie würde er vorgehen?
Als Fan der drei ??? hatte ich TKKG nie so richtig beachtet. Plötzlich war der Scheinwerfer voll auf die vier Jugendlichen aus Deutschland gerichtet – und auf mich dazu. Also stürzte ich mich auf die Hörspiele und besorgte auf dem Flohmarkt Bücher, machte eigene Notizen, markierte aufschlussreiche Passagen und verschaffte mir mit diesem Crash-Kurs Zugang zur TKKG-Welt. »Die Sekte Satans« war mein Einstieg sowie eines der damals aktuellen Hörspiele. Nach und nach erinnerte ich mich daran, die ersten TKKG-Fälle doch mal gehört zu haben. Das muss Anfang der 80er gewesen sein. Film(e) und TV-Serie habe ich links liegen lassen.
Gab es schriftlich fixierte Rahmendaten oder gar eine Serienfibel?
Da ist mir nichts bekannt. Ich habe mir alles selbst zusammengesucht, wobei mir auffiel, dass die CD-ROM-Fälle etwas abwichen oder eigene Wege gingen. Vieles ist ja von vornherein schwammig und vage. Allein die Geographie: TKKG-Stadt. Damit ist unglaublich schwer zu arbeiten. Eine Millionenstadt? Danach sah es in den Spielen schon mal gar nicht aus. Sauerlichs Haushälterin Berta suche ich bis heute in den Büchern vergeblich. Sachdienliche Hinweise nehmen ich gerne entgegen. Überhaupt war es immer eine große Hilfe, einen Fan zu finden, der bei kniffligen Fragen auf die Schnelle die richtige Antwort kannte.
Was gefällt Ihnen an der Serie am besten?
Die Unerschrockenheit der Kinder, Pardon, der Teenager. Außerdem imponiert mir, dass sie ihr Herz auf der Zunge tragen und keinen Zweifel lassen, wie man sie zu verstehen hat. Wenn sie nicht gerade belehren, kann das erfrischend ehrlich sein.
Welche störenden Einschränkungen gab es im Zusammenhang mit dem Kosmos?
Einschränkungen gab es insofern, dass bei Spielen das Mengengerüst stimmen muss, also die Anzahl an Szenen, der Animationsaufwand, das Ausmaß der integrierten Minispiele, die auftretenden Personen, die Dialoglängen. Das bedeutete, auch den Kosmos zurechtzustutzen, in dem sich TKKG bei uns bewegten. Stets das Zuhause aller Detektive in spe zu zeigen, hätte den Rahmen gesprengt. Also habe ich stets die Location aufgegriffen, die sich für den jeweiligen Fall anbot. Inhaltlich war ich nicht wirklich eingeschränkt und durfte Grenzen überschreiten. So war es kein Problem, dass Gaby Drogen nahm (natürlich aus Versehen), Tim wegen aggressiver Töne von Herrn Glockner aus dem Polizeirevier geworfen wurde und die Vier samt Oskar ein abgesperrtes, saugefährliches Bunkergelände erkundeten.
Sind Sie gezielt von irgendetwas abgewichen / mussten Sie von etwas abweichen?
Ich habe aufgrund der genannten Einschränkungen manchmal aus der Not eine Tugend gemacht. In der Sauerlich-Villa müsste es vor Angestellten nur so wimmeln. Oder nehmen wir die Polizei und die Feuerwehr in der Millionenstadt. Die sollen nicht fit sein, einen Feuerteufel zu fangen? Das können sie bei uns tatsächlich nicht, denn dieser verflixte Grippevirus hat ja die halbe Stadt lahmgelegt. Ich konnte nun einmal keine Heerscharen von Menschen auftreten lassen. Der Massenauflauf zu Beginn von »Das geheimnisvolle Testament« war das höchste der Gefühle. Mit der Einsparung von Figuren liegt der Fokus noch stärker auf die Detektive in spe, was durchaus Vorzüge hat. Ohne elterliche Aufsicht ist Klößchen Herr über die ganze Villa. Wenn das kein Kindheitstraum ist! Es gibt auch eine Kehrseite: In »Alarm in der Geisterbahn« wirkt der Vergnügungspark verwaist. Die wenigen Besucher im Hintergrund bewegen sich nicht einmal. Dafür fällt selbst mir keine Ausrede ein.
Abgewichen bin ich ansonsten von den schrecklichen Gangsternamen aus den Büchern, das aber aus eigenem Antrieb. Ich habe nichts gegen klingende Name einzuwenden, aber Konstrukte wie »Schacher Ben Öhli«? Das habe ich heruntergefahren auf Nachnamen wie Hoellwarth, Wahnsiedler, Armknecht etc. Ein Augenzwinkern ist mir lieber als die Faust aufs Auge.
Inwieweit sehen Sie eine Weiterentwicklung der TKKG-Protagonisten in der Computerspielserie?
Kurioserweise trennten die Spiele das Team in seine Mitglieder; wir gehen ja mit jedem einzeln durch die Szenen. Auf diese Weise lässt sich schön zeigen, wie sich ihre Wahrnehmung in Bezug auf die gleiche Situation unterscheidet. In den Büchern macht in der Regel Tim als Häuptling die Ansagen. Er bestimmt die Herangehensweise an den Fall, die anderen ziehen mit. In den Spielen hingegen sind die Teammitglieder absolut gleichwertig und -rangig. Sie ergänzen sich. Wo der eine passen muss, kommt/weiß der andere weiter. Tim ist sowieso ein Fall für sich. Ich finde ihn voreingenommen und eine Spur zu aggressiv. Es war mir eine Genugtuung, ihn damit einmal auflaufen zu lassen. In »Zelle 13« attackiert er verbal einen Jugendlichen, der mitten in der Resozialisierung steckt. Bei mir hat so etwas spürbare Konsequenzen. Insofern sehe ich die Weiterentwicklung der Protagonisten darin, dass sie sich Fragen zu ihrer Handlungsweise gefallen lassen müssen.
Sollten die Computerspiele Ihrer Meinung nach losgelöst gesehen werden von den übrigen TKKG-Medien?
Das Medium ist nicht ausschlaggebend, sondern ob sich eine Geschichte passend präsentiert. Bei Computerspielen ist Mitdenken/Mitmachen gefragt. Von daher sind sie allenfalls exotisch. Ich kann aber verstehen, wenn Fans die TKKG-Medien lieber trennen. Wer kann sich schon mit einem blonden Tim wie im ersten Kinofilm anfreunden? Bei mir wäre so etwas nur vorgekommen aufgrund eines gemeinen Streiches.
Wie sah der Vorlauf einer TKKG-CD-ROM aus?
Ich habe drei Themenvorschläge für den jeweils geplanten Titel gemacht, quasi Mini-Exposés. Davon wurde einer ausgewählt, worauf ich alle weitere Konzeption aufbaute. Dabei ging es vor allem um inhaltliche Wendungen, den Lösungsweg und das Mengengerüst. War alles im Lot, gab es grünes Licht fürs Drehbuch, für das ich mich ins stille Kämmerlein zurückzog. Auch von Rolf Kalmuczak (alias Stefan Wolf), dem TKKG-Erfinder, wurde seitens der Projektleitung das Okay eingeholt. Eine Beanstandung gab es nie. Von daher kann ich behaupten, keine Geschichte entworfen zu haben, die ihm gegen den Strich ging. Ich glaube, er pflegte eine sehr gesunde, leicht distanzierte Einstellung zu seiner TKKG-Welt.
Gab es für jede CD-ROM Themenvorschläge von Ihnen? Haben Sie diese noch?
Bei den Themenvorschlägen habe ich berücksichtigt, was so noch nicht da war, worüber gerade öffentlich diskutiert wurde und was ich mit Blick auf die Bücher näher beleuchten möchte. Aus letzterem Grund gibt es mal einen Titel, bei dem Oskar präsent ist und eine entscheidende Rolle spielt (kaum einer wusste, dass er auf einem Auge blind ist), oder Tims Mutter erscheint endlich und erklärt ihre aktuelle Lebenssituation, anstatt zur Randfigur zu verkommen.
»Verrat an TKKG«, mein Erstling, ist insofern eine Ausnahme, als Tivola zwar den Titel in Teil 4 angekündigt hatte, aber eben wirklich nur den Titel. Also habe ich mir ausgedacht, worin der Verrat bestehen könnte, und das Thema Kampfhunde bot sich an, weil es damals Schlagzeilen machte. Manche Themenvorschläge tauchten in veränderter Form bei späteren Fällen wieder auf. Leider kann ich nicht mehr sagen, was ich alles noch auf der Pfanne hatte. Für Fall 15 schwebte mir etwas um Tims Großvater Timotheus vor, das Thema Archäologie und als Abschlussspiel eine Ballonfahrt im Gebirge mit einsetzendem Unwetter. Leider kam ich nicht mehr dazu, die Vorschläge einzubringen.
Waren Sie alleiniger Autor der TKKGs 5-14? Falls nicht, inwieweit waren andere beteiligt?
Ursprünglich war es so gedacht, durch mehrere Autoren zügiger in Serie zu produzieren. Das Prinzip, sich abzuwechseln, macht Sinn, weil man als Autor mehr Zeit und Muße für seinen Titel hat und das der Qualität zugute kommt. Autoren, die es gewohnt sind, linear zu erzählen, müssen hierbei aber umdenken und tun sich anfangs schwer. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Norbert Jochmann habe ich nicht persönlich kennengelernt, stand dann aber mit seinem begonnenen Titel da: Fall 6 (Fälscherbande). Drehbücher für nonlineare Spiele à la TKKG sind sehr umfangreich und nur mit geübtem Auge zu überblicken. Mittendrin in das Drehbuch eines anderen Autors einzusteigen, in seine Logik, seine Denkweise, ist ein Kraftakt. Es ging darum, dem Fall unter Zeitdruck zu einem schlüssigen Ende zu verhelfen, was tatsächlich gelang und gar nicht mal schlecht. Auch die Voodoozauber-Thematik (Fall 9) sollte ursprünglich Norbert durchziehen, wurde dann aber zu meiner Aufgabe. Alle anderen Fälle stammen vollständig aus meiner Feder.
„Idee / Konzeption“ – was verbirgt sich dahinter?
Für die Grundkonzeption zeichnen sich mehrere Leute verantwortlich, also das Spielprinzip, diese Art des Fragenstellens, die Navigation, das Erscheinungsbild, die Kapiteleinteilung, das Prinzip eines Finalspiels etc. Ab TKKG 10 hat sich da vieles geändert, vor allem optisch. Meine Ideen, Themen haben wir in Meetings abgeklopft, wobei jedem der Beteiligten etwas einfiel, sei es eine Einschätzung des Machbaren oder die Lösung eines Problems. Diese Brainstormings schätze ich sehr und gehören an jeden Anfang einer guten Geschichte, die immerhin Arbeitsgrundlage für alle Beteiligten ist.
Musste für die Fälle umfangreich recherchiert werden?
Sobald die Themen feststanden, die im Titel vorkommen sollten, machte ich mich an die Recherche. Am spannendsten waren dabei die Themen Gefängnis, Bunker und Kryptozoologie. Allein die Knastsprache! Fachbücher, Experten im Bekanntenkreis und Internet waren mir sehr hilfreich. Meiner Meinung nach sollte man am ehesten auf Themen zurückgreifen, zu denen man einen persönlichen Bezug hat. Ich bin nebenbei als Komparse tätig und habe dank meiner Nähe zu Babelsberg vielfach bei Seifenopern und Hollywood-Streifen mitgemischt. Da lag es nah, daraus ein TKKG-Thema zu machen. Allerdings musste ich komplexe Umstände doch sehr vereinfachen. Die angenehmste Recherche war die für »TKKG 14: Gefährliche Ferien «. Es handelte sich schlichtweg um Urlaubsimpressionen. Da brauchte ich mich nur noch zum Thema Kunstraub schlau zu machen und TKKG-Bücher nach Tims Mutter zu durchforsten.
Was ist Ihre Aufgabe genau gewesen. Sie werden mal unter der Position Text, mal als Autor aufgeführt?
Ein heilloses Durcheinander, nicht wahr? Mal davon abgesehen, dass mein Name oft falsch geschrieben wurde und die wechselhafte Bezeichnung irritiert, bin ich definitiv Autor, der auf der Grundlage seiner erstellten Konzepte ein Drehbuch fürs gesamte Spiel verfasst. Dazu gehören Vorgaben für sämtliche Texte, Anweisungen, Szenenbeschreibungen, Programmierschritte, Animationen, die Minispiele, Sounds und Dateilabels – sowie alle anfallenden Korrekturen. Das Lektorat übernahmen zwei Personen; die eine konzentrierte sich auf die logische/programmiertechnische Seite, die andere auf die sprachliche/inhaltliche. Ich glaube, die Bezeichnung Lektorat verschwand auf den CD-ROMS irgendwann ganz. Tatsächlich wurde die Projektleitung mehr und mehr zum Mädchen für alles.
Die TKKG-CD-ROMs haben sich mit der Zeit verändert. Was war für Sie prägend?
Fall 1 bis 4 war meine Basis: In der Form wurde TKKG als Spiel angenommen und hatte Vorbildfunktion.
Fall 5 bis 9 bediente die Fangemeinde in gewohnter Weise. Aber das Spielprinzip verbrauchte sich langsam. Bislang war der Titel in zwei Sprachen zu spielen. Er musste also zudem im Englischen funktionieren. Prägend war hier der Fall 8 mit den Rätseltexten. Solche Fälle liebe ich.
Fall 10 verzichtete erstmals auf die englische Version. Er kam mit neuer Optik, einer besseren Navigation, dem erweiterten Fragenprinzip (teils fünf Vorgaben auf einmal) und eingestreuten Minispielen daher. Dazu gesellte sich ein neuer Illustrator. Ab jetzt wurde in St. Petersburg (twp) produziert, wozu mein Drehbuch ins Russische übersetzt wurde. Wenn ich also für den Sportplatz des Internats vorgab »Im Hintergrund drehen Schüler ihre Runden«, konnte das eine Skizze zur Folge haben mit Mädchen, die sich mit Hula-Hopp-Reifen abmühten. Zum Glück waren das nur Kinderkrankheiten in unserer Verständigung und die Russen sehr aufgeschlossen.
Fall 11 bis 13: Hier entfaltete sich das neue Spielprinzip richtig, und ich bewundere heute noch Fans, die geduldig immer wieder eine Szene erneut betreten, um (hoffentlich) eine andere Frage zu stellen.
Fall 14: Wieder einmal ein Zeichnerwechsel. Unser erster gemeinsamer und insgesamt letzter Fall.
Von der TKKG-Kiste zum Laptop und schließlich zur TKKG-Tasche. Ist letzteres nicht ein Schritt zurück? Warum wurde der in TKKG 6 eingeführte Sauerlich-Laptop aufgegeben?
Die Zwischenlösung mit dem Laptop habe ich gar nicht mehr in Erinnerung. Eine Tasche macht mehr Sinn. Die Kiste als Extra-Screen hätte bei den neuen Spielen so nicht mehr funktioniert.
Hatten Sie einen Einfluss auf die Spielmechanik – nicht nur auf den Inhalt?
Die Spielmechanik war vorgegeben. Bei Minispielen und Finalspiel griffen wir auf Erfahrungswerte anderer, uns bekannter Spiele zurück. So ist das Quiz in »Film ab!« ja nach einem hinlänglich bekannten Prinzip gestrickt. Die Fragen/Antworten stammen allerdings von mir.
Haben Sie in der TKKG-CD-ROM-Serie eine Lieblingsfigur?
Definitiv Klößchen. Der hat die Ruhe weg.
Welcher Ort in der TKKG-Stadt (oder außerhalb) hat Ihnen am besten gefallen und warum?
In der Stadt: Die Milchbar »Zum bekehrten Seemann« aus »Das geheimnisvolle Testament«, weil die Umsetzung einfach großartig ist. Die Zeichnungen von Christian Hansen sind immer sehr atmosphärisch ausgefallen. Individuelle Räume, die in ihrer Funktionalität stimmig sind und Charakter haben. – Außerhalb? Ganz Zypern in TKKG 14, bei Tag und bei Nacht. Hier war Tooncafé am Werk.
Mir gefielen wiederkehrende Orte und Personen immer sehr. Das machte es heimisch. War das der beabsichtigte Grund oder die Wiederverwendung von Material?
Beides. Ich knüpfe thematisch sowieso gern wieder an und nutze jede Gelegenheit, den Fans zu zeigen, was aus der einen oder anderen Person geworden ist. (Ich mag nur nicht immer auf gleiche Gegenspieler zurückgreifen.) Der kleine Horrorladen z.B. ist wirklich nett und hatte es verdient, passend zum Halloween-Thema noch einmal zu erscheinen.
Zum Stichwort Wiederverwertung fällt mir ein Sonderfall ein, auf den das absolut zutraf. Es handelt sich um den interaktiven Krimi namens »Eine harte Nuss für TKKG«, der eigens für die T-Online-Website entwickelt wurde und 2001 erstmals online ging. (Später nutzte Tivola das Game für die eigene Website als Gewinnspiel). Auf eine Sprachausgabe mussten wir allerdings verzichten. Wir behalfen uns mit Sprechblasen. Der Fall drehte sich um bekannte Personen und Locations aus CD-ROM-Fällen (Lotti in ihrem Sonnenstudio, die Villa Drachenkralle). Also neuer Wein in alten Schläuchen. Es ging um einen Juwelendieb. Am Ende wurde nach dem wahren Namen des Täters gefragt und wo er das »Kollier der 1000 Tränen« versteckt hielt.
Für wie wichtig erachten Sie ein kniffliges Minispiel beim Finale? Welches hat Ihnen am meisten Freude bereitet und warum?
Ein kniffliges Minispiel schafft in der Regel einen würdigen, spannenden Abschluss des Falls. Am besten gefallen mir Spiele, die verschiedene Versionen eines Bad ends schaffen, etwa wenn man ein Boot steuert, mit Gegnern kollidiert und ersichtlich wird, wer alles diesmal versenkt wurde. Ganz schrecklich dagegen finde ich Spiele wie in TKKG 4: ein Klavierstück einüben und fehlerfrei spielen. Da musste ich frustriert passen.
Haben Sie Ihre eigenen TKKG-Spiele schon einmal gespielt?
Sowie eins erschien, erhielt ich Belegexemplare und legte los. Meistens saß ich dann schon am Drehbuch zum nächsten. Von Zeit zu Zeit gucke ich bei YouTube »Let’s Play...«-Clips an. Verblüffend, dass Fans ihre TKKG-Spielweise aufzeichnen und kommentieren. Diese Feedbacks sind gleichermaßen unterhaltsam und aufschlussreich. Und helfen meinem Gedächtnis auf die Sprünge.
Haben Sie noch Exposés zu weiteren TKKG-Spielen / unverwirklichte Ideen im TKKG-Kosmos?
Ich besitze noch einen Zettelkasten mit Einfällen und inspirierenden Zeitungsartikeln. Einige Ideen müssten der Zeit angepasst werden, denn die technische Entwicklung macht vor TKKG nicht halt. Meine Spiele wirken aus heutiger Sicht bereits nostalgisch. Man sehe sich nur Karls »tollen neuen Computer « an, digitale Kameras oder tragbare CD-Spieler. Na wow!
Mussten die Geschichten schon einmal gekürzt werden?
Nein. Das ist dank der Schritte über Exposé und Feinkonzept alles passgenau. Da kann ich mich eines guten Einschätzungsvermögens rühmen.
Gibt es Easter-Eggs / Insider-Gags in den Spielen? Welcher Art sind sie? Kann man sie beim normalen Spielen entdecken?
Da fällt mir nur TKKG 13 ein: Im Krimicafé sitzt ein junge Dame und nippt an einer Tasse Tee. Gefängnis-Insasse Heppner hat sogar ein Foto von ihr in seiner Zelle. Wenn ich mich recht entsinne, hatte sie diesen Statisten-Auftritt bei einer Tivola-Aktion gewonnen. Eine tolle Idee!
Gaby muss Oskar bei ihrem Gefängnisbesuch im Zwinger lassen. Auf dem Schild für Besucher steht zu meiner Verwunderung tatsächlich: TRAKT A3 - Alle Besucher erst zu Anmeldung – Fotografieren verboten – Oskar muss leider draußen bleiben.
Im Bunker gibt es zahlreiche Hinweise auf Tivola und Mitarbeiter.
Sind Sie auf interaktive Medien festgelegt oder würden Sie auch TKKG-Bücher oder Hörspiele schreiben?
Ich kann mir durchaus eigene Bücher oder Hörspiele vorstellen. Das Hintergrundwissen ist jedenfalls da. Außerdem sind mir alle vier (ja, auch Tim) ans Herz gewachsen. Verzeihung, Oskar. Ich meine natürlich alle fünf!
Wofür schreiben Sie am liebsten und warum?
Am liebsten schreibe ich Dialoge, vor allem wenn sie witzig sein dürfen, subtil, ironisch oder einfach frech. Kinder, Jugendliche und »kidults« sind meine bevorzugte Zielgruppe. Ich mag gern Comics schreiben, da bin ich gerade angefragt worden. (Gab es nicht irgendwann TKKG-Comichefte bei Ehapa?) Mit dem Illustrator von TKKG 10 bis 13, Michael Theis, habe ich vor Jahren ein paar schwarzhumorige Strips entworfen, was mir Spaß gemacht hat. Das hatte allerdings nichts mit Tim, Karl, Klößchen und Gaby zu tun. Mittlerweile dreht sich bei mir viel um Browsergames und Apps.
Wo sehen Sie die Gründe für den Niedergang der Branche, in der TKKG als Computerspiel erfolgreich war?
Ein TKKG-Spiel hat sich für alle rechnen und braucht seine Zeit, wenn es gut ausgetüftelt und bugfrei sein soll. Damit sich die Reihe rentierte, mussten die Zahlen stimmen. Die Kosten waren enorm. Darum entschied man sich dafür, in Russland zu produzieren. Wir hatten hier immer weniger Leute, einen zunehmenden Arbeitsaufwand und steten Zeitdruck. Wenn ich so an den Anfang zurückdenke, erinnere ich mich an die große Anteilnahme noch bis zu dem Punkt, dass ein Titel längst erschienen war und ich ganz selbstverständlich eine Mappe mit den veröffentlichten Rezensionen gereicht bekam. Muße ist ein wichtiger Aspekt, um gute kreative Arbeit zu leisten. Ich kam mit dem Stress gut klar, aber als Projektleiter wäre ich nur rotiert. Das steckt man irgendwann nicht mehr weg. Kein Wunder, dass sie ständig wechselten. Um auf Dauer zwei Titel im Jahr herauszubringen, wären meiner Meinung nach auch zwei weitgehend unabhängige Teams erforderlich gewesen. Hinzu kommt, dass der Markt auch irgendwann gesättigt ist.
Spätestens seit TKKG 14 war einiges im Schwange. Was genau geschah, darüber kann ich nur spekulieren. Fakt ist, dass TKKG fortan unter einem anderen Stern stand und dem Wort Controlling wich. Schade, denn die Zusammenarbeit mit »Tooncafé«, die TKKG 14 illustriert hatten, war hervorragend. Wir waren heiß auf eine Fortsetzung und fühlten uns etwas vor den Kopf gestoßen, als es mit TKKG nicht weitergehen wollte und die Reihe dann erst einmal versackte. Aber wie heißt es so schön? The show must go on. Für mich ergaben sich andere Projekte, und TKKG folgten dann doch noch zwei weitere Spiele – mit verändertem Konzept. Auf mich wirkten sie sehr fremd und bemüht anders. Aber da bin ich wohl voreingenommen.
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, was würden Sie in Bezug auf TKKG anders machen?
Ihnen vor 30 Jahren mehr Aufmerksamkeit schenken. Das hätte die Arbeit am ersten eigenen Spiel ungemein erleichtert. Darum erfüllt es mich mit Stolz, dass vielen Fans, Kindern damals, ausgerechnet »Verrat an TKKG« in guter Erinnerung geblieben ist.
Vielen Dank für das ausführliche Interview und Ihre Zeit.
Ich danke allen Fans für Ihre Treue und behalte euch gern im Auge. Zu guter Letzt möchte ich noch auf die hervorragende Leistung der Sprecher hinweisen. Es hat Spaß gemacht, einmal im Tonstudio dabei zu sein und zu erleben, wie sie die Figuren zum Leben erwecken. Und wann immer ich in die synchronisierte Fassung von »CSI New York« zappe, habe ich mit Julien Haggéges Stimme wieder meinen Willi Sauerlich im Ohr. So ganz verlässt einen TKKG eben nie.
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