Nachdem sich Barbara Landbeck im letzten Interview-Teil an den Lizenzerwerb zurückerinnerte, spricht sie in diesem über die Produktion: über verschiedene Produktionshäuser, die Enticklung der Serie und Kommunikationsprobleme.


Jedes TKKG-Spiel ist zusammen mit einem Produktionshaus entstanden. Welche Aufgaben hat Tivola übernommen, welche das Produktionshaus und warum wurden diese gewechselt?

Das Produktionshaus war eigentlich das ausführende Organ für die Produktion. Die haben die Phasenzeichnungen und die Programmierung gemacht. Ganz am Anfang haben wir die Phasenzeichnungen noch von einem Zeichentrickstudio machen lassen. Dann wurden die Phasen in das Produktionshaus transportiert und von denen in Macromedia Director eingebaut. Irgendwann ging die gesamte Produktion nach Russland, weil es dort günstiger war.


Die Produktion der ersten vier TKKG CD-ROMs fand in Hamburg statt.

Meibrit Ahrens und Helga Waterkotte waren ein Team hier in Hamburg und hatten externe Programmierer an der Hand, zum Beispiel Renate Wünschl für TKKG. Die Animationen wurden vom Animationsstudio Ludewig gemacht.


Ab dem fünften Teil sahen die Animationen anders aus.

Ja, das kann sein. Ab der fünften CD-ROM animierte glaube ich ein neues Produktionshaus die Spiele.


Hatten die Spiele die ganze Zeit über das gleiche Budget?

Nein, natürlich nicht. Das war unterschiedlich. Tendenziell wurde es immer schwieriger und bei den allgemein sinkenden Verkaufspreisen mussten wir die Produktionen günstiger machen.


Hat das vorherige Spiel das nächste finanziert?

Nein. Die Kalkulation vom gesamten Verlag war ausschlaggebend.


Der Wechsel der Produktion nach Berlin hatte neben finanziellen auch räumliche Gründe?

Genau, Berlin war günstiger als Hamburg und dann eben auch einfach vor der Tür, da konnte man mal kurz hinfahren. Das Studio hieß bvm, später morgen studios. Die waren auch wirklich großartig.

Lange oder kurze Wege sind übrigens immer ein großes Thema. Wenn du kreativ arbeitest und verschiedene Medienteile wie Text, Bild und Animationen zusammenbauen musst, ist es super, wenn du mit den anderen in einem Raum sitzt. Oder zumindest auf einem Stockwerk. Du hast diese Kommunikationsprobleme dann nicht: von einem Ort zum anderen, von einer Straße zur nächsten und dann noch möglicherweise von einer Sprache in die andere. Diese Probleme sind echt nicht zu unterschätzen, wenn du Geschichten erzählen willst und vielleicht sogar Humor und etwas feinsinnigere Dinge in einer anderen Sprache erklären musst. Sowas verliert sich dann leider.


Wie seid ihr auf das Produktionshaus „The Web Production“ in Russland gekommen?

Wir mussten sparen. Tivola hatte verschiedene Gesellschafter. Einer von ihnen war David Müller-Meerkatz, ein Deutscher aus Bayern. Der hat in Russland das Studio TWP aufgebaut. Und zwar gab es damals in Russland viele sehr gute Programmierer, die keinen Job hatten. Da hat er gedacht: Mensch, die sind super ausgebildet. Das sind tolle Leute. Die können doch was für mich programmieren. Und dann hat er dort deutsche Hotelwebseiten und sowas gemacht. Der hat ganz viel Dienstleistung für Deutschland gemacht – dort in St. Petersburg. Und dann eben auch alles für Tivola. Ich glaube bis heute.

Die größte Schwierigkeit war es, diesen Transfer zu schaffen: den deutschen/europäischen Humor den russischen Programmierern zu erklären. Dass die das in die Mimik oder Gestik der Charaktere einfließen lassen. Dieser Transfer gelang fast nie, die Feinheiten gingen einfach zwischen den Kulturen verloren.


Christian Schlosser hat im Interview ebenfalls von Kommunikationsproblemen gesprochen, die zu Hula-Hoop-Reifen schwingende Mädchen im Sportunterricht führten.

Ja, da gab es total schräge Sachen. Wir mussten alle Drehbücher erstmal ins Englische übersetzen und vom Englischen ins Russische übersetzt worden. Da kannst du dir vorstellen, was das für ein Übersetzungsdesaster ergibt. Die Programmierer haben auf Basis des russischen Drehbuchs die Figuren animiert. Sie hätten eigentlich tausend Mal fragen müssen, wie etwas gemeint ist usw. Nun konnten die wiederum nicht so gut Englisch, also mochten sie nicht fragen. Also ging es immer nur mit Dolmetscher hin und her. Erklär mal Witze über einen Dolmetscher. Sowas funktioniert nicht.


Aber Stephan Kolloff, der TKKG-Projektleiter, hatte Russisch in der Schule.

Ja, so ein bisschen. Er ist auch gerne da hingefahren. Der war in Endphasen einer Produktion oft wochenlang in St. Petersburg.


Wenn du die Wahl gehabt hättest, wärest du mit der Produktion nicht nach Russland gegangen?

Mein Wunsch wäre es gewesen die Produktion in Deutschland zu lassen und auch ganz in der Nähe. Unsere besten CD-ROMs sind meiner Meinung nach in Deutschland bei bvm entstanden. Bvm hat auch „Schneewittchen und die sieben Hänsel“ gemacht. Da ist richtig viel Humor drin, weil die mit Andreas Rode einen ganz tollen Animator hatten, der das toll zeichnen konnte. Das war die witzigste Geschichte von Tivola.


Mit der zehnten CD-ROM wurde auch das TKKG-Konzept stark überarbeitet. Habt ihr den Wechsel des Produktionshauses zum Anlass genommen?

Nein. Es stellte sich immer die Frage, wie wir mehr verkaufen können, wie wir am Ball bleiben können, sodass wir uns nicht immer nur wiederholen, sondern auch immer dem Spieler einen Anreiz schaffen, auch das neueste TKKG-Spiel zu kaufen. Es war immer auch der Versuch es besser zu machen, mit sinkenden Budgets trotzdem gute und zeitgemäße Inhalte zu machen.


Warum entfiel ab der zehnten CD-ROM die englische Sprachausgabe?

Nur aus Kostengründen. Games mit einer integrierten englischen Version hatten den Vorteil sie auch international anbieten zu können. Wir haben ja auch viel ins Ausland lizenziert, vor allem die Max-Geschichten. TKKG spielte langfristig auf internationalem Boden aber keine große Rolle, war außerhalb Deutschlands relativ unbekannt.


Ist die Entscheidung den Figuren mehr als zwei Fragen stellen zu können eine konzeptionelle oder ein Wunsch des Autors größere Freiheiten zu haben?

Das war eine sowohl konzeptionelle als auch eine wirtschaftliche Idee. Man kann mehr Inhalte in weniger Bilder reinpacken. Man hat mehr Denkleistung und dabei noch ein paar Animationen/Bilder gespart.


Die Anpassungen der Spielorteübersicht – von der Hintergrundmusik bis zur Umgestaltung zu einem Stadtplan in TKKG 10 – sind das Entscheidungen, die unter den Punkt „Idee und Konzeption“ fallen?

Ich glaube, Stephan Kolloff hat sich immer sehr für solche Änderungen eingesetzt. Wir haben aber auch getestet – natürlich mit Kindern. Wie kommen sie damit zurecht? Ein Stadtplan ist manchmal nicht so leicht für Kinder. Du brauchst ein gewisses Alter, damit du den verstehst. Also mit acht Jahren ist es noch ein bisschen grenzwertig. Wir hatten aber durchaus auch achtjährige Spieler. Der Grundstreit war immer, dass ich die Spiele „einfach“ haben wollte, damit auch jüngere und nicht so knobelversessene Kinder Erfolge haben konnten und der Projektleiter wollte die Geschichten immer „ganz kompliziert“ haben. Wir haben uns dann irgendwo in der Mitte getroffen.


Die Gestaltung der Menüs, beispielsweise zum Beenden des Spiels, veränderte sich auch. Teilweise enthielten Fremdworte.

Funktionierende Menüs und Symbole so zu entwickeln, dass der Spieler damit gut zurechtkommt, war die Herausforderung beim Konzipieren den allerersten CD-ROMs. Bei den Max und „Oscar der Ballonfahrer“-Spielen hatten wir ja vor allem Nichtleser als Zielgruppe. Sie sollten die Lautstärke ändern können, die Orte wechseln können und die Sprache einstellen können, das Spiel beenden können – alles ohne lesen zu müssen. Wir haben die „Roll over“ Funktion intensiv genutzt. D. h., wenn das Kind mit der Maus über die interaktive Fläche fährt, hört es, was er hier machen kann. „Hier kannst du in die englische Sprache wechseln“, „Möchtest du das Spiel beenden? Dann klicke hier“ usw.

Unsere Symbole und Menüleisten sind dann auch von allen anderen CD ROM Herstellern übernommen worden.

An Fremdworte in der Menüführung erinnere ich mich nicht.


Ich habe auf der Webseite von TWP eine 3D-Demo-Video mit TKKG von 2001 gesehen.

Ja, wir hatten auch 3D-Versuche gemacht. Um herauszufinden, wie lange die Produktion dauert und wie teuer es wird. Wir haben gesehen, dass alles zu lange dauert und zu teuer war.


Die Figuren sahen genau so aus, wie von Christian Hansen gezeichnet, nur in 3D, in der Villa Drachenkralle. Und das alles bereits 2001, von The Web Production.

Genau. Diese Version fand ich auch toll. Das war ein Lauf durch ein Zimmer. Das habe ich auch noch im Kopf. Das sah super aus. War aber leider zu aufwändig.


Warum sollte die 15. CD-ROM in 3D sein?

3D war damals total hipp. Wir haben gedacht, dass die Kinder das erwarten. Rückblickend würde man das glaube ich nicht mehr so sehen, aber damals war das so: Oh, das ist jetzt State of the Art, das versuchen wir auch.


Außerhalb der Reihe erschien die CD-ROM „Das Phantombild-Programm“ zur TV-Show „TKKG – Der Club der Detektive.“

Ja, das war richtig super. Da hat tatsächlich mithilfe des Phantombildprogrammes ein Kind seinen Hund wiedergefunden. Es hat am PC ein Phantombild vom Hund erstellt, ausgedruckt, an den Baum gehängt und kurz darauf seinen Hund wiederbekommen. Die Show „TKKG – Der Club der Detektive“ war auch lustig.


Wie war es möglich, über eine so lange Zeit jedes Jahr zwei TKKG-Spiele herauszubringen?

Die Produktion lief eigentlich nonstop. Die Autoren taten mir manchmal wirklich leid. Sie schrieben ununterbrochen an langen, verzwickten Indizienketten und Geschichten. Die haben schon so etwa mindestens drei Monate an einem Drehbuch gesessen, wenn ich das richtig erinnere. TKKG war lange Zeit das Zugpferd unserer Titel. Das war das, was wir am besten verkauft haben.


Welche besondere Erinnerung hast du an deine Zeit bei Tivola und welche speziell zu TKKG?

Es war eine super Zeit. Es war einfach toll, so eine Spielwiese zu haben, so innovativ sein zu dürfen und sich das alles neu auszudenken. Es war natürlich auch toll mit Freunden ein Unternehmen aufzubauen, das zu Beginn so erfolgreich war. Wir haben unendliche viele Preise und Auszeichnungen gewonnen, Tivola stand in den ersten 5-6 Jahren für beste Qualität.

Was die TKKG-Produktion angeht erinnere ich mich noch an diese riesigen, mit Mindmaps vollgeklebten Wände. Zwei Meter hoch, zwei oder drei Meter breit. Wir haben uns so die Indizienketten klargemacht, visualisiert, wer von den vier TKKG-Kindern welche Indizien wo findet. Diese Komplexität war unglaublich! Der Projektleiter Stephan Kolloff hat das sehr gut gemacht. Der war ein echtes Brain und hat diese ganzen Details in seinem Kopf verknüpfen können. Stephan Kolloff war überhaupt der eigentliche TKKG-Spezialist bei uns, hat die meisten CD-ROMs als Projektleiter betreut. Die Autoren waren natürlich genau solche Brains, die haben sich das ja alles ausgedacht, allen voran Christian Schlosser.

Ich erinnere mich noch gut an die Dauerfrage: Wann ist das Spiel zu schwierig, wann ist es zu leicht? Eine ewige Krux, das herauszubekommen: Wann sind die Kinder genervt, wann schmeißen sie das Spiel in die Ecke? Wann sind sie enttäuscht, weil sie zu schnell fertig sind? Das war immer ein ewiges Abgleichen mit der Zielgruppe.

Die Komplexität des Denkens, die war sehr spannend. Das hat Spaß gemacht.


Im nächsten Artikel:
Die Sprachaufnahmen: Wie erhielten TKKG ihre Stimme? Antworten auf solche Fragen stehen im letzten Teil der Interview-Reihe mit Barbara Landbeck. Außerdem berichtet Sie über Tivola und TKKG im Ausland und wie sie die Chancen für neue Computerspiele zu TKKG sieht.

Das Interview fand im Oktober 2015 in Barbara Landbecks Kunstschule statt.

Permalink -- Trackback-Link

← Zurück zur Übersicht

Die letzten Kommentare

Bisher wurden keine Kommentare abgegeben. Schreibe jetzt dein Kommentar!
Bitte melde dich an oder registiere dich, um Kommentare abzugeben.