Band 001: Die Jagd nach den Millionendieben

Band 001: Die Jagd nach den Millionendieben
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Preise bei Erscheinen:
ISBN:
Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15000-9
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Leseprobe

llustration von Seite 23.
llustration von Seite 23.

Tarzan war noch im Waschsaal und putzte sich die Zähne.Wie
üblich, war er der Letzte; und damit’s schneller ging, ließ er die
Backenzähne aus.
Klößchen, der eigentlich Willi hieß, sah zur Tür herein.
»Beeil dich! Rembrandt kommt.«
Na und? dachte Tarzan. Dann kommt er eben. Ist ja schließlich
nichts Neues. Seinetwegen reiße ich mir bestimmt kein
Bein aus.
Er gurgelte nochmal kräftig und spülte sich den Mund aus.
Rembrandt – wie sie den Zeichenlehrer Dr. Pauling nannten
– war sein Erzfeind.Und Tarzan tat alles, damit diese Feindschaft
nicht erlosch.Aber heute Abend hatte er was Tolles vor.
Daher war es besser, Rembrandt nicht unnötig zu reizen.
Tarzan drückte seinen Waschlappen aus, hängte das Handtuch
an den Haken und steckte die Zahnbürste in den Becher.
Die Tür flog auf.
Tarzan sah nicht hin. Er wusste auch so, wer es war.
Das helle Licht der Leuchtröhren spiegelte sich auf Dr. Paulings
Brillengläsern. Er hatte ein bleiches Gesicht, das nie
lachte, und wenig Haare. Dass er ungerecht und gemein war,
wussten alle. Unter den 500 Schülern der Internatsschule war
keiner, der ihn mochte.
Rembrandt räusperte sich. Das tat er oft, und es klang jedes
Mal, als leide ein Rabe an Halsweh.
»Natürlich! Herr Peter Carsten ist wieder mal nicht fertig.
Er möchte wohl eine Extraeinladung? In drei Minuten, mein
Lieber, bist du im Bett. Klar?«
»Ich war noch so staubig hinter den Ohren«, sagte Tarzan,
»deshalb hat’s länger gedauert.«
Aber Rembrandt hörte nicht hin. Er war schon draußen,um
seine Runde durch den zweiten Stock fortzusetzen.
Hier schliefen die 12- bis 14-Jährigen. Für sie war um halb
neun Zapfenstreich. So verlangte es die Hausordnung des
Internats.
Drei Minuten!, dachte Tarzan.Was der sich einbildet! Ist ja
erst Viertel nach acht. Seine Uhr geht wohl vor?
Peter Carsten, der mit Spitznamen Tarzan hieß, war 13 und
ziemlich groß für sein Alter. Außerdem war er der beste
100-Meter-Läufer und ein so guter Volleyball-Spieler, dass er
demnächst in der Schulmannschaft mitmachen sollte.
Seinen Spitznamen hatte er weg, weil er mit affenartiger Geschwindigkeit
am Kletterseil hochturnen konnte. Außerdem
vielleicht, weil er dunkle Locken hatte. Und weil sogar im Winter
seine Haut die sommerliche Bräune behielt. Er war ein
blauäugiger Tarzan, schlank, muskulös und durch und durch
sportlich.
Alle Schlafräume im zweiten Stock hatten Spitznamen.
Das ADLERNEST, wo Tarzan wohnte, war ein winziger
Raum, gerade groß genug für zwei Betten, zwei Schränke und
Klößchens Fressvorräte.
Auch jetzt, nach dem Zähneputzen, saß Klößchen auf
seinem Kopfkissen und kaute. Schokolade, natürlich. Ohne
Schokolade konnte er nicht leben; und je mehr er davon aß, um
so dicker wurde er.
»Hast du deine Kniebeugen gemacht?«, fragte Tarzan.
Klößchen zog schuldbewusst den Kopf ein. »Nur 20.«
»So wirst du nie dünner.Wenn du eines Tages platzt, möchte
ich nicht in deiner Nähe sein. Ich wette, du hast nicht Blut, sondern
Kakao in den Adern.«
Klößchen wischte sich den Mund ab. Er war einen halben
Kopf kleiner als Tarzan, wog aber sechs Kilo mehr. Seine runde
Figur wurde einem Kloß immer ähnlicher. Und wenn er beim
Turnen zappelnd an der Reckstange hing, ohne einen halben
Klimmzug zu schaffen, musste Tarzan ihn hochstemmen – was
Schwerarbeit war. Aber Klößchen hatte ein freundliches
Mondgesicht. Seine Segelohren und die rotblonden Haare
passten dazu. Erstaunt beobachtete er jetzt, wie Tarzan rasch in
seine Jeans schlüpfte, die Turnschuhe anzog, das blaue T-Shirt
und den gelben Pullover.
»Willst du noch weg?«
»Klar. Ich bin verabredet.«
Tarzan kroch ins Bett. Bis zum Kinn zog er die Decke hoch.
Wie er so dalag, sah er aus wie ein Pennematz, den nichts aus
den Federn bringt – es sei denn, die Schule brennt.

Illustration von Seite 141.
Illustration von Seite 141.

»Au Backe!« Klößchen wurde blass vor Aufregung. »Und
das heute.Wo Rembrandt rumschleicht. Drei Verweise hast du
schon. Einen noch, und du fliegst. Bei dir steht’s auf der Kippe.
Und da riskierst du so was!«
»Du weißt doch, dass die Verweise alle von Rembrandt sind.
Eine haarsträubende Ungerechtigkeit! Nochmal erwischt der
mich nicht. Heute kann gar nichts schief gehen.Wenn die Lichter
aus sind, haut Rembrandt sich ins Bett. Und ich bin vor Mitternacht
zurück.«
»Wäre Mist, wenn du rausfliegst«, sagte Klößchen bekümmert
und aß noch rasch ein Stück Nussriegel.
Tarzan schwieg. Der Gedanke an einen vierten Verweis war
ihm unheimlich. Trotz guter Zensuren – vor allem in Mathe
und Sport – würde er dann die Schule verlassen müssen. Zwar
hätte das kein Schüler als Schande empfunden, aber die Eltern
dachten da anders.
Seiner Mutter – die Witwe war und hart arbeiten musste, um
das Schulgeld für ihn aufzubringen – wollte er das nicht antun.
Seit sein Vater vor sechs Jahren auf einer Geschäftsreise tödlich
verunglückt war, er hatte als Ingenieur gearbeitet, musste
sie sich hart durchs Leben schlagen. Sie war Buchhalterin und
lebte in einer anderen Stadt, mehr als vier Zugstunden entfernt.
Weil sie sich vor lauter Arbeit nicht um Peter kümmern
konnte, aber wollte, dass er eine gute Schulbildung genoss,
hatte sie ihn schweren Herzens in das weit entfernte Internat
gegeben, das ihr empfohlen worden war.
Tarzan gefiel es in dieser Schule. Daran waren vor allem
seine Freunde schuld. Sie hielten eisern zusammen: Karl – der
Computer, Gaby mit dem Spitznamen Pfote – weil sie an keinem
Hund vorbeigehen konnte, ohne zu sagen: »Gib Pfote!«,
und Tarzan. In gewisser Weise gehörte natürlich auch Klößchen
dazu. Aber nicht, wenn es um besonders tolle Streiche
ging. Denn was die drei sich getrauten, dazu fehlte ihm noch
der Mut. Noch…
Karl und Gaby gingen in Tarzans und Klößchens Klasse –
die 9b –, wohnten aber nicht im Internat der Schule, sondern
bei ihren Eltern drüben in der Stadt.
Es war eine Großstadt mit Flughafen, U-Bahn und Sportstadion.
Die Internatsschule lag am Stadtrand. Von hier sah
man über Felder und Wiesen zur Autobahn. In der Ferne war
Wald. Und wenn im Fußballstadion Bundesligaspiele ausgetragen
wurden, hörte man das Geschrei bis in den Speisesaal.
Dr. Pauling kam herein.
»Es ist gleich neun. Gute Nacht!«