Band 038: Todesfracht im Jaguar

Band 038: Todesfracht im Jaguar
Art:
Verlag:
Erscheinungstermin:
Preise bei Erscheinen:
ISBN:
Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15037-5
Verwandte TKKG-Produkte

Leseprobe

llustration von Seite 32.
llustration von Seite 32.

Tim fuhr voran, gefolgt von seinen Freunden. Ab und zu sah er zum Himmel, wo sich Gewitterwolken wie drohende Fäuste ballten. Es grummelte schon hinter der Skyline der Stadt; und die Luft roch ein bißchen nach Schwefel.
„Naß werden wir bestimmt", rief Gaby und rückte zu ihm auf.
„Bin ich schon", meinte Klößchen, dem der Schweiß aus allen Poren tropfte.
Tim wollte gerade sagen, es sei nicht mehr weit bis zum Zirkus Belloni, als ein Blitz auf sie niederzuckte.
Er war atompilz-grell. Alle erschraken. Und der Donner folgte so rasch, als neide er dem Blitz seine Wirkung. Ein Donner, als hätte der Himmel Balken, und alles stürze herab.
„Das Unwetter ist genau über uns", rief Tim. „Wer Metallisches an sich hat - weg damit. Metall zieht den Blitz an."
„Und unsere Drahtesel?" japste Karl. „Die sind - Gott sei Dank! - nicht aus Kunststoff."
„Hast recht, Karl!" Tim spähte umher. „Wir unterbrechen und stellen uns unter. Sonst schießt sich der Blitz auf uns ein."
Wollfellner-Weg - so hieß die Straße, die sie gerade unter den Reifen hatten. Eine Gegend am südöstlichen Weichbild der Großstadt - mit Zufahrt zum Vorstadt-Festplatz.
Dort, wo sonst gewerkschaftliche Kundgebungen stattfinden, Schützenfeste und Freiluft-Ausstellungen - dort hatte seit gestern Zirkus Belloni sein Quartier aufgeschlagen.
Auf den ersten Blick wirkte der Wollfellner-Weg verkommen - auf den zweiten noch mehr. Die baufälligen Häuser schienen der Spitzhacke entgegen zu dösen. Einige hatten in ihrer Jugend bessere Zeiten gesehen, waren sozusagen Uralt-Villen mit dem Komfort von 1890. Aber diese Jugend lag so lange zurück - die meisten Häuser hatten das Kommen und Gehen ganzer Generationen erlebt.
Tim zog sein Rennrad nach rechts, kurvte an den Resten
eines Zauns vorbei und über dörrenden Rasen zum Haus. Es bestand aus bröckligem Fachwerk, hatte Türmchen und Giebel. Es sah aus, als würde es den Gewitterguß nicht überstehen.
Unter dem Vordach des Eingangs hatte eine Fußballmannschaft Platz - samt der Ersatzbänkler.
Alle sprangen vom Rad und stellten sich unter. Auch den Tretmühlen gewährten sie Schutz. Nur Klößchen ließ sein Stahlroß im Regen stehen. Der setzte jetzt ein, spritzte aus allen Rohren, goß aus allen Kübeln. Dazu ratschten die Blitze ihr Zickzack in den schwarzen Himmel, und der Donner klang, als liefere sich die schwere Artillerie aller Heere das letzte Gefecht.
„Willi, dein Rad wird naß", sagte Karl.
„Ist mir recht", erwiderte Klößchen. „Der Regen wäscht den Dreck ab. Dann brauche ich's nicht zu putzen."
Gaby, die heute ihren blauweißen Jogging-Anzug trug, lehnte sich an Tims Schulter. Er stand neben der Eingangstür an der Wand, mit Kapuzen- und Deltamuskel (Rückenmuskeln) genau auf den Klingelknöpfen. Aber die funktionierten nicht mehr. Das Haus war unbewohnt - wie die leeren und teilweise zerbrochenen Fenster verrieten.
„Es regnet", stellte Klößchen fest.
Niemand widersprach.
„Hält das eigentlich so ein Zirkuszelt aus?" überlegte er laut.
„Richtige Zelte sind wasserdicht", sagte Karl.
„Stimmt!" nickte Klößchen. „Sonst stünde es schlimm um die Beduinen (Wüstenbewohner). Die wohnen ja bekanntlich nicht nur in der Wüste, sondern zeitlebens in Zelten."
„Aber in der Wüste regnet es nicht", sagte Karl. „Dein Beispiel haut daneben."
Klößchen schlug nach einer schweißgierigen Mücke.
„Na gut! Dann meine ich eben die Bewohner der Regenwälder und deren Zelte."
„Die wohnen nicht in Zelten."
„Das Zirkuszelt", sagte Tim, „ist dicht. Man wird nicht naß.
eines Zauns vorbei und über dörrenden Rasen zum Haus. Es bestand aus bröckligem Fachwerk, hatte Türmchen und Giebel. Es sah aus, als würde es den Gewitterguß nicht überstehen.
Unter dem Vordach des Eingangs hatte eine Fußballmannschaft Platz - samt der Ersatzbänkler.
Alle sprangen vom Rad und stellten sich unter. Auch den Tretmühlen gewährten sie Schutz. Nur Klößchen ließ sein Stahlroß im Regen stehen. Der setzte jetzt ein, spritzte aus allen Rohren, goß aus allen Kübeln. Dazu ratschten die Blitze ihr Zickzack in den schwarzen Himmel, und der Donner klang, als liefere sich die schwere Artillerie aller Heere das letzte Gefecht.
„Willi, dein Rad wird naß", sagte Karl.
„Ist mir recht", erwiderte Klößchen. „Der Regen wäscht den Dreck ab. Dann brauche ich's nicht zu putzen."
Gaby, die heute ihren blau weißen Jogging-Anzug trug, lehnte sich an Tims Schulter. Er stand neben der Eingangstür an der Wand, mit Kapuzen- und Deltamuskel (Rückenmuskeln) genau auf den Klingelknöpfen. Aber die funktionierten nicht mehr. Das Haus war unbewohnt - wie die leeren und teilweise zerbrochenen Fenster verrieten.
„Es regnet", stellte Klößchen fest.
Niemand widersprach.

Illustration von Seite 145.
Illustration von Seite 145.

„Hält das eigentlich so ein Zirkuszelt aus?" überlegte er laut.
„Richtige Zelte sind wasserdicht", sagte Karl.
„Stimmt!" nickte Klößchen. „Sonst stünde es schlimm um die Beduinen (Wüstenbewohner). Die wohnen ja bekanntlich nicht nur in der Wüste, sondern zeitlebens in Zelten."
„Aber in der Wüste regnet es nicht", sagte Karl. „Dein Beispiel haut daneben."
Klößchen schlug nach einer schweißgierigen Mücke.
„Na gut! Dann meine ich eben die Bewohner der Regenwälder und deren Zelte."
„Die wohnen nicht in Zelten."
„Das Zirkuszelt", sagte Tim, „ist dicht. Man wird nicht naß.
Außerdem wollen wir in die Abendvorstellung. Bis dahin hat der Regen aufgehört."
Daß sie schon jetzt - es war Nachmittag - zum Zirkus fuhren, hatte natürlich seinen Grund: Für Schüler, Studenten und Rentner gab's im Vorverkauf verbilligte Karten. Die wollten sie sich sichern.
Gaby zupfte an ihrem Pferdeschwanz.
Tim schnüffelte an ihrem Haar.
„Frisch gewaschen?" fragte er.
„Was? Mein Ohr?" Sie pustete gegen ihren Pony.
„Dein Haar."
„Du kannst davon ausgehen", belehrte sie ihn: „Entweder es ist gerade gewaschen, ich will es gerade waschen,oder ich bin dabei, es zu waschen."
„Die saubersten Haare der Stadt. Hähäh!" lachte Klößchen.
„Was dagegen?" fragte sie.
„Im Gegenteil. Für ein Mädchen gehört sich das so. Ich komme aus mit einmal pro Woche."
„Jetzt begreife ich", rief sie, „weshalb du einmal in der Woche blond bist - und an den übrigen Tagen so grau-braun-schmuddel-fahl."
Karl lachte. Klößchen kratzte sich am Hinterkopf. Offenbar wollte er die Tagesfarbe prüfen.
Tim äugte zur Straße, wo ein roter Alfa im Schrittempo vorbei rollte. Zwei Typen saßen drin und blickten herüber. Der Fahrer hatte ein braunes Geier-Gesicht und dunkle Schmalzlocken. Im Hemdkragen plusterte sich ein weißer Seidenschal auf.
Der Beifahrer hatte sich vorgebeugt, um besser sehen zu können. Sein Gesicht erinnerte an einen ausgedienten Box-Europameister im Halbschwergewicht.
„Die glotzen ja so", meinte Karl. „Meinen die uns?"
„Pst!" zischte Gaby.
Der Wagen rollte weiter. Die Hausecke schnitt den Blick ab.
„Wieso pst?" fragte Tim.
„Das ist mir so rausgerutscht. Die kenne ich nämlich. Mein Papi hat sie mir mal gezeigt, als wir im Königs-Cafe saßen. Die beiden waren gegenüber in der Juppidu-Bar - das heißt, sie standen mit ihren Drinks (Getränken) vor dem Eingang, weil da an heißen Tagen auch draußen ein Ausschank ist, standen da also und benahmen sich wie die Proleten."
„So was ist kein Einzelfall", meinte Tim. „Gutes Benehmen wird rar."
„Der mit den Frisier-Creme-Locken heißt Franco Leppich", teilte Gaby mit, „der andere Ludwig Frese. Sind sozusagen Schwerkriminelle."
„Übergewichtig?" fragte Klößchen. „Die sahen doch schlank aus."
„Ihre Vorstrafen-Akte ist keineswegs schlank", sagte Gaby. „Die sind so kriminell, daß sie sich nicht mal spezialisiert haben wie andere Verbrecher. Da gibt's die Diebe, die Räuber, die Einbrecher, die Erpresser - aber Leppich und Frese machen einfach alles, was verboten ist und Geld abwirft."
„Betrüger!" sagte Klößchen.
„Was?"
„Betrüger sind auch Spezialisten. Sozusagen verbrecherische Facharbeiter." :
„Kennen sie dich persönlich?" fragte Tim seine Freundin.
„Nein. Wieso?"
„Weil sie so glotzten?"
„Ich glaube", sagte Karl, „das galt nicht uns, sondern der Villa. Für uns hatten sie nur ein Drittel Auge, die andern fünf Drittel waren auf die Isolde gerichtet."
„Welche Isolde?" fragte Klößchen.
„Hast du nicht den verblichenen Schriftzug gesehen - vorn am Haus. Villa Isolde."
„Komisch, daß Häuser immer nach Frauen benannt werden", überlegte Klößchen. „Ich habe noch nie eine Villa Egon gesehen, oder Otto, Karlfried, Theodor ..."
„Wenn die Typen soviel Interesse rauslassen", schnitt ihm Tim das Wort ab, „hat das doch einen Grund. Wie ist es, Pfote: Plündern die auch leerstehende Häuser aus?"
Er wandte sich zur Eingangstür und drückte auf die Klinke. Sie war so lang wie ein Tennisschlägerschaft. Er rüttelte an der Tür. Sie gab nicht nach.
„Von meinem Papi weiß ich", sagte Gaby, „daß Leppich und Frese als Falschspieler betrügen, Wagen stehlen und nach dem Umspritzen weiterverkaufen und vielleicht auch zur Rauschgif tszene gehören. Womit sie sonst noch ihr Kerbholz schmükken, ist nicht polizeibekannt."
„Rauschgift? Du meinst als Dealer?" vergewisserte sich Tim.
„Nur als Dealer. Typen wie die wollen Kasse machen."
Alle spähten zur Straße. Kam der Alfa zurück? Er kam nicht zurück. Statt dessen schwappte an der Villa Isolde die Dachrinne über. Ein Wasserfall ergoß sich die Mauer herab.
„Die Heroin-Szene", sagte Gaby, „macht allen im Polizei-Präsidium zur Zeit große Sorgen. Mein Papi sagt, es taucht immer mehr Heroin in der Stadt auf."
Klößchen grinste. „Da können die Fixer aus dem vollen schöpfen."
„Komisch finde ich das nicht", wies ihn Gaby zurecht.
Vielleicht, dachte Tim, sollte man Leppich und Frese im Auge behalten. Kommissar Glockner kann nicht überall sein. Außerdem sind täglich Demos (Demonstrationen = Protestkundgebungen) und Krawalle. Da reicht der PPB (Polizei-Personal-Bestand) nicht hin und nicht her.
„Ich glaube, es hört auf", meinte Klößchen. „Eben fielen noch 163 836 Regentropfen pro Quadratmeter. Jetzt sind's nur noch 159735."
„159736!" sagte Karl. „Zählen ist wohl nicht deine Stärke?"