Band 042: Gangster auf der Gartenparty

Band 042: Gangster auf der Gartenparty
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15041-2
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Leseprobe

llustration von Seite 12.
llustration von Seite 12.

Zum Fürchten sahen sie aus!
Um Klößchens Hals hing eine stählerne Hundekette. Eine zweite wickelte er sich ums Handgelenk. Seine übergroßen Sommer-Shorts wurden von einem Ledergürtel gehalten, der mit Nieten beschlagen war.
Tim - früher Tarzan genannt - zog sein Hemd aus und schlüpfte in eine ärmellose Jeans-Weste, die er sich von einem Mitschüler aus der 12a geborgt hatte.
Sticker mit drohenden Symbolen panzerten die Weste. Eine geballte Faust war dabei, ein Totenkopf und ein zähnefletschender Panther. Über die Handgelenke schob Tim sich breite Lederstulpen. Auch die waren mit Nieten bewehrt.
Gaby trat einen Schritt zurück, pustete kurz, aber nachdenklich gegen ihren Goldpony und beäugte die beiden.
„Vom Hals abwärts stimmt's", stellte sie fest. „Da möchte ich euresgleichen nicht im Dunkeln begegnen. Aber die Gesichter sind zu freundlich."
Tims Gesicht vereiste. Er hob einen Mundwinkel und zahnte Gaby an. Ein wahrhaftig tückisches Grinsen.
„Schon besser!" lobte sie.
„Und ich?"
Klößchen bleckte die Zähne, kniff die Augen."
Er wirkte jetzt wie ein wohlgenährter Kochlehrling, der gerade den Pudding versalzen hat und mit seinem Frust (Enttäuschung) ringt.
Aber Gaby tat, als schaudere ihr.
„Ich kriege eine Gänsehaut, Willi."
„Wußte ich's doch."
„Und was meinst du, Oskar?"
Tim bückte sich zu Gabys Cocker-Spaniel und kraulte ihn hinterm Ohr.
Der Vierbeiner wedelte. Daß er die beiden für gefährliche Schlägertypen hielt, war nicht zu erkennen.
Die Sonne stand hoch. Draußen war Sommer. Ein bunter Schmetterling „falterte" am offenen Fenster vorbei, besann sich, kam herein und drehte eine Runde über Karls Bett.
In seinem Zimmer befanden sie sich - und damit, logo!, im Haus von Professor Vierstein, Karls Vater.
Karl war zur Zeit nicht anwesend, sondern auf Posten. Er mußte jeden Moment anrufen; die drei warteten darauf.
Draußen im Flur schrillte das Telefon.
„Na also!"
Tim rannte hinaus. In Richtung Erdgeschoß, wo er Frau Vierstein wußte, rief er: „Das wird für uns sein, Frau Vierstein. Der Karl. Ich gehe schon ran."
Sie antwortete. Aber er verstand nicht, was sie sagte, sondern nahm den Hörer ans Ohr.
„Macht euch auf die Socken!" keuchte Karl durch die Leitung. „Eben ist er los. Mit Rad und Provianttasche."
„In Ordnung. Ende!"
Gaby und Klößchen standen schon neben ihm.
Gaby reichte ihm den Rucksack, in dem sich nichts befand - außer einer ungeladenen Tränengaspistole und einem kleinen Tonbandgerät. Die Pistole sah einer scharfen Waffe zum Verwechseln ähnlich.
Sie verließen das Haus. Laue Luft wehte aus allen Richtungen. Im Garten, den Karl manchmal pflegte - manchmal auch nicht -, summten Bienen über wogendem Unkraut.
Oskar lief an der Leine, von Gaby geführt.
Die drei sprangen auf die Drahtesel und strampelten los.
Krätzkows Adresse war nur sechs flotte Minuten entfernt. Freilich endete das feine Stadtrand-Viertel, in dem die Viersteins wohnten, auf halbem Weg.

Illustration von Seite 92.
Illustration von Seite 92.

Die Gegend um den Ottermann-Weg, wo Krätzkow wohnte, war letztmals in den Dreißiger Jahren ein feines Viertel gewesen. Jetzt nagte der Verfall an den alten Häusern, und auf die blühenden Gärten hatten Baulöwen und Spekulanten-Geschäftemacher begehrliche Blicke gerichtet.
Über Alfons Krätzkow wußte die TKKG-Bande einiges: Zum Beispiel, daß er in dem kleinen Haus mit einer Italienerin zusammenlebte. Sie hieß Anna Vareno und flocht ihr hüftlanges Schwarzhaar manchmal zu sieben dicken Zöpfen. Krätz-kows Auto war ein sechs Jahre alter, roter BMW mit zwei Dellen an der Beifahrertür.
Tim spähte voraus.
Als sie in den Ottermann-Weg einbogen, trat Karl hinter einer Hecke hervor.
Er hatte seit drei Tagen Sonnenbrand. Seine Nase schälte sich. Aber hinter der Nickelbrille blitzten die Augen.
„Ihr holt ihn leicht ein", verkündete er, als die drei bei ihm hielten. „Er fährt ganz gemächlich."
„Weil er nicht weiß, daß wir ihm im Genick sitzen - wie der Teufel", gab Klößchen als Erklärung ab.
„Jedenfalls fährt er über die Heckenröder Landstraße in Richtung Naturschutzgebiet", sagte Karl zu Tim.
„Alles klar", nickte Tim. „Ihr bewacht die Adresse. Vor allem: Laßt diese Anna Vareno nicht aus den Augen."
Karl grinste. „Wir verstecken uns im Nachbars-Garten. Nur Büsche und Bäume. Da könnten sich hundert Mann unsichtbar machen. In dem Häuschen wohnt ein netter Oldie. Eduard von Lommingen. Der sagt nichts - wenn er uns bemerkt."
Also los! dachte Tim - und glitt wieder auf den Sattel.
„Hoffentlich geht alles gut!" sagte Gaby. „Irgendwie habe ich Zahnschmerzen. Ist ja 'ne irre Kiste. Wenn wir sie vermurksen, macht uns mein Papi zur Schnecke."
„Wird schon gutgehen."
Tim wischte ein Abschieds-Bussi über ihre Wangen und fuhr los. Klößchen heftete sich an sein Hinterrad.
Einmal noch blickte Tim zurück.
Gaby und Karl ketteten ihre Drahtesel an den Zaun. Gleich würden sie hinüber steigen und sich im Garten verstecken.
Das Haus, in dem Krätzkow und die Vareno wohnten, schimmerte durch die Hecke. Stille überall. Und ein blauer Sommerhimmel spannte sich über Stadt und Land.
Tim fuhr schnell und ein kurzes Stück freihändig.
Er holte das nur erbsengroße Mikrofon aus der Tasche. Mit einer Nadel ließ es sich an der Weste befestigen. Zwischen zwei Stickern fiel es nicht auf.
Jetzt brauchte er nur noch das - batterie-betriebene - Bandgerät einzuschalten und jeder Laut, jedes gesprochene Wort wurde festgehalten.
Gaby hat recht, dachte er, wenn ihr nicht wohl ist - vonwegen Zahnschmerzen und so. Aber schließlich tun wir's ja, weil die Möglichkeiten der Polizei erschöpft sind. Die erlaubten Methoden versagen. Also klotzen wir ran. Auch wenn das nicht so ganz erlaubt ist.
Sie erreichten die Heckenröder Landstraße und fuhren der Mittagssonne entgegen.
Klößchen schwitzte fürchterlich. Er war nicht nur mit den Beinen beschäftigt - er übte auch Zähneblecken und machte gefährliche Schlitzaugen.