Zum Fürchten sahen sie aus!
Um Klößchens Hals hing eine stählerne Hundekette. Eine zweite wickelte er sich ums Handgelenk. Seine übergroßen Sommer-Shorts wurden von einem Ledergürtel gehalten, der mit Nieten beschlagen war.
Tim - früher Tarzan genannt - zog sein Hemd aus und schlüpfte in eine ärmellose Jeans-Weste, die er sich von einem Mitschüler aus der 12a geborgt hatte.
Sticker mit drohenden Symbolen panzerten die Weste. Eine geballte Faust war dabei, ein Totenkopf und ein zähnefletschender Panther. Über die Handgelenke schob Tim sich breite Lederstulpen. Auch die waren mit Nieten bewehrt.
Gaby trat einen Schritt zurück, pustete kurz, aber nachdenklich gegen ihren Goldpony und beäugte die beiden.
„Vom Hals abwärts stimmt's", stellte sie fest. „Da möchte ich euresgleichen nicht im Dunkeln begegnen. Aber die Gesichter sind zu freundlich."
Tims Gesicht vereiste. Er hob einen Mundwinkel und zahnte Gaby an. Ein wahrhaftig tückisches Grinsen.
„Schon besser!" lobte sie.
„Und ich?"
Klößchen bleckte die Zähne, kniff die Augen."
Er wirkte jetzt wie ein wohlgenährter Kochlehrling, der gerade den Pudding versalzen hat und mit seinem Frust (Enttäuschung) ringt.
Aber Gaby tat, als schaudere ihr.
„Ich kriege eine Gänsehaut, Willi."
„Wußte ich's doch."
„Und was meinst du, Oskar?"
Tim bückte sich zu Gabys Cocker-Spaniel und kraulte ihn hinterm Ohr.
Der Vierbeiner wedelte. Daß er die beiden für gefährliche Schlägertypen hielt, war nicht zu erkennen.
Die Sonne stand hoch. Draußen war Sommer. Ein bunter Schmetterling „falterte" am offenen Fenster vorbei, besann sich, kam herein und drehte eine Runde über Karls Bett.
In seinem Zimmer befanden sie sich - und damit, logo!, im Haus von Professor Vierstein, Karls Vater.
Karl war zur Zeit nicht anwesend, sondern auf Posten. Er mußte jeden Moment anrufen; die drei warteten darauf.
Draußen im Flur schrillte das Telefon.
„Na also!"
Tim rannte hinaus. In Richtung Erdgeschoß, wo er Frau Vierstein wußte, rief er: „Das wird für uns sein, Frau Vierstein. Der Karl. Ich gehe schon ran."
Sie antwortete. Aber er verstand nicht, was sie sagte, sondern nahm den Hörer ans Ohr.
„Macht euch auf die Socken!" keuchte Karl durch die Leitung. „Eben ist er los. Mit Rad und Provianttasche."
„In Ordnung. Ende!"
Gaby und Klößchen standen schon neben ihm.
Gaby reichte ihm den Rucksack, in dem sich nichts befand - außer einer ungeladenen Tränengaspistole und einem kleinen Tonbandgerät. Die Pistole sah einer scharfen Waffe zum Verwechseln ähnlich.
Sie verließen das Haus. Laue Luft wehte aus allen Richtungen. Im Garten, den Karl manchmal pflegte - manchmal auch nicht -, summten Bienen über wogendem Unkraut.
Oskar lief an der Leine, von Gaby geführt.
Die drei sprangen auf die Drahtesel und strampelten los.
Krätzkows Adresse war nur sechs flotte Minuten entfernt. Freilich endete das feine Stadtrand-Viertel, in dem die Viersteins wohnten, auf halbem Weg.