Band 070: Der Feind aus der Vergangenheit

Band 070: Der Feind aus der Vergangenheit
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15069-6
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Leseprobe

llustration von Seite 46.
llustration von Seite 46.

Schöne Ferientage sollten es werden, aber es wurde die Hölle. Viel später, als Tim rückblickend über die Ereignisse nachdachte, fand er seine Theorie bestätigt: Manche Menschen erleben ihr Leben lang nichts, jedenfalls keine Abenteuer - und geraten niemals in Gefahr.
Diese Menschen, die offenbar von ihrem Schutzengel am Kragen gehalten werden, verpassen selbst in einem Abenteuerurlaub jedes Abenteuer - verschlafen das Erdbeben, den Angriff der Elefantenherde, den Feuerüberfall der Aufständischen - und treten immer dann zur rasenden Schlauchboot-Flussfahrt an, wenn der Fluss gerade ausgetrocknet ist.
Beneidenswerte Mitmenschen?
Ganz, wie man's sehen will.
Anderen dagegen klebt das Abenteuer an den Fersen. Gefahr lauert auf Schritt und Tritt. Ständig stecken sie bis zum Hals in irgendwelchem Schlamassel, ob sie wollen oder nicht.
Zu dieser Sorte gehöre ich, dachte Tim, den man früher Tarzan genannt hatte. Beneidenswert? Klar!
Bedauernswert ist es nur, wenn meine Umwelt darunter zu leiden hat.
Wie in diesem Fall seine Mutter.

Illustration von Seite 66.
Illustration von Seite 66.

Aber davon ahnte Susanne Carsten natürlich nichts, als sie mit ihrem großen Sohn verreiste: während der Herbstferien. Nach Österreich. In die Großstadt S., wo die beiden eingeladen waren von Susannes Freundin Karin Meihäusler.
Auch diese junge Frau - Lehrerin an einer Grundschule -war verwitwet. Sie hatte keine Kinder, fühlte sich als Tims Tante und bestand darauf, daß er sie so auch anredete.
Tut ja keinem weh, dachte der TKKG-Häuptling. Mir am wenigsten. Klar, mache ich das. Sie ist ja auch riesig nett, die Tante Karin.
In einer Altstadtstraße, die - wenn man sich die Computerläden wegdachte - nach 18. Jahrhundert aussah, hatte Karin eine Etagenwohnung. Weitläufig, mit großem Gästezimmer, in dem Mutter und Sohn Garsten sich wohl fühlten.
Auch Karin hatte Ferien. Und sie widmete sich ihren Gästen. Museumsbesuche und Wanderungen in die prachtvolle Umgebung standen auf dem Programm.
Am dritten Tag, als Tim sein Taschengeld einforderte, hatte Susanne kein Geld mehr. Jedenfalls keine gültige Landeswährung, die ja in Österreich bekanntlich aus Schillingen besteht. DM und Reiseschecks hatte Susanne genug.
Also ging sie an diesem sonnigen Oktobervormittag durch die Grollknarzer-Straße und betrat das Bankhaus Oversoll, um Geld einzuwechseln.
Damit fing alles an.

*

Illustration von Seite 139.
Illustration von Seite 139.

Lothar Korf war 29, und als sein Gesicht gemacht wurde, hatte ein Geier Modell gestanden.
Jetzt hatte Korf eine Strumpfmaske über Kopf und Gesicht gezogen und schwitzte fürchterlich darunter, teils auch aus Nervosität.
In der rechten Hand hielt er eine schwere Pistole. Mit der fuchtelte er herum, richtete die Mündung mal auf die Bankkunden, mal auf die blassen Gestalten hinter den Schaltern.
Die Szene spielte sich ab im Bankhaus Oversoll.
„Überfall!" hatte Korf gebrüllt. Und hinzugefügt, weil er Reklame machen wollte für seinen Verein: „Dies ist ein Überfall der Neroisten. Wir sind eine terroristische Vereinigung - die Vernichtung der Staatsgewalt ist unser Ziel."
Das hätte er nicht erklären müssen. Er war bekannt aus der Presse.
Jetzt stand Korf vor dem Kassenschalter, fuchtelte mit der Waffe und schob einen Leinenbeutel durch die Öffnung im
Panzerglas. Der Beutel trug den Aufdruck: Seid lieb zueinander- wie die Streicheltiere im Zoo!
„Vollmachen!" raunzte Korf den Kassierer an und meinte damit, der solle den Beutel füllen mit Geld, mit Schillingen.
Der Kassierer hatte kleine Blinzelaugen. Er zitterte und tat, wie ihm geheißen.
Hinter Korf in der Schalterhalle standen vier Kunden, schreckensstarr. Alles Männer.
Einer von ihnen, ein bulliger Typ, hatte schon dem Alkohol zugesprochen, obwohl der Tag noch jung war.
Wie man weiß, macht Alkohol dumm, aber auch mutig. Manchmal sogar tollkühn, was wiederum mit Dummheit zu tun hat.
Jedenfalls fühlte sich der Bullige plötzlich an seiner Ehre gepackt und wollte den Helden spielen.
Mit einem Schrei und den Worten: „Verfluchter Torrerorist!" - er rief tatsächlich ,Torrerorist' - stürmte er an wie der Stier gegen den Stierkämpfer.
Korf war völlig überrascht. Dann riss er die Pistole hoch und ballerte los.
Die Kugel traf den Bulligen in die Schulter, wirbelte ihn herum und zu Boden, wo er liegen blieb, stark blutend und total außer Gefecht gesetzt.
Panik brach aus. Die Bankkauffrauen schrieen. Der Kassierer brach sich einen Finger, als er den geldgefüllten Leinenbeutel durch die Öffnung stieß. Die drei unverletzten Bankkunden warfen sich zu Boden. Nicht um dem Verletzten zu helfen, sondern um ihre Ergebenheit zu zeigen. Ein Bankkaufmann trat auf den Alarmknopf, und draußen vor dem Portal heulte die Sirene los.
Scheiße! dachte Korf.
Er riss den Beutel an sich und rannte hinaus.
Der Vorraum war leer. Jedenfalls auf den ersten Blick. Weg mit der Pistole! Mit der in der Hand konnte er nicht zum Wagen rennen.