Es begann vor einem Jahr - am 30. März. Der Abendhimmel über Mailand sah verrußt aus, und so roch auch die Luft. Besonders in der Nähe des Bahnhofs. Die kleinen Hotels in den Seitenstraßen verhießen wenig Komfort. Teuer waren sie trotzdem.
Ludwig Brendl war Deutscher. Hier in Mailand arbeitete er als Aushilfsportier. Das Hotel hieß BOBOLI.
An diesem Abend blühte bei Brendl der Weizen. Denn einer der Gäste war aus Deutschland, ein gewisser Heinrich Klunk. Er war Vertreter - und als solcher garantiert ein kleines Licht.
Aber Klunk stammte aus dem Landkreis nahe jener Großstadt, zu der Brendl eine besondere Beziehung hatte: eine kriminelle. Also passte Klunk in Brendls Plan wie ein Schlüssel ins richtige Schloss.
Um 17 Uhr beendete Brendl seinen Dienst.
Er verließ das Hotel, sockte zur nächsten Ecke und dann in die Via Pitti, die so schmal ist, dass man sie zur Einbahnstraße erklärt hat. Gleichwohl parken hier die Autos - eins hinter dem ändern. Denn Garagen gibt es nicht in dieser Gegend.
Das Fahrzeug des Hotelgastes Klunk war ein Mercedes mit silbriger Metallic-Lackierung.
Brendl betrachtete das Nummernschild, grinste und rieb sich ein bisschen die Hände.
Das Dorf, in dem Klunk zu Hause war, hieß Dickelheim. Aus dem Nummernschild war das zwar nicht ersichtlich. Aber Klunks Adresse stand auf dem Hotel-Formular.
Brendl blieb stehen neben der Fahrertür, rauchte seine Zigarette zu Ende und sah sich um nach allen Seiten.
Niemand war in der Nähe. Brendl zog den Schlüssel aus der Tasche, schloss den Mercedes auf und glitt hinters Lenkrad.
Der Schlüssel war ein Duplikat. Brendl hatte es anfertigen lassen von einem zwielichtigen Schlosser, der nach dem Wachsabdruck arbeitete, den Brendl gemacht hatte.
Gestern hatte er Klunks Original-Schlüssel kurz in der Hand gehabt - um für den Wagen einen Parkplatz zu suchen, als Klunk ankam.
Was für ein freundlicher Service!
Jetzt gab es also keine Probleme, und Brendl lenkte den Mercedes, als hätte er selbst einen.
30 Minuten dauerte die Fahrt.
Am Stadtrand hatte Brendl einen Schuppen gemietet. Das Werkzeug war da. Und Zeugen würde es nicht geben.
Er fuhr den Wagen hinein, schloß das Tor und machte Licht.
Ein kühler Abend - hoffentlich. Denn Brendl hatte viel Arbeit vorsieh.
Mit Stahlsäge und Schneidbrenner würde er von unten her Hohlräume der Karosserie öffnen, 20 Kilo vom allerbesten Heroin dort verstauen und die Öffnungen wieder verschweißen.
Alter Trick, dachte er. Ich mache Klunk zu meinem Drogen-Kurier. Er weiß es nur nicht. Dann in Dickelheim... ja, mein System funktioniert.
Noch während der Nacht würde er den Wagen zurückbringen. Und irgendwo parken im Bahnhofsviertel. Vielleicht hatte Klunk den Diebstahl schon bemerkt, vielleicht nicht. Egal.
Dem alten Fahrzeug würde man nicht ansehen, wie wertvoll es jetzt war: mit einem Vermögen an Heroin unter dem Stahlblech.