Band 089: Der Goldschatz, der vom Himmel fiel

Band 089: Der Goldschatz, der vom Himmel fiel
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15089-4
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Leseprobe

llustration von Seite 41.
llustration von Seite 41.

In wenigen Tagen, nämlich am 1. Januar des neuen Jahrtausends, würde Walburga Schwitzke ihren 80. Geburtstag begehen. Leider nicht zu Hause - ein Zuhause hatte sie schon seit langem nicht mehr -, sondern im Altersheim.
Dort war sie gefürchtet. Wegen ihrer Nörgeleien, ihrer Aufsässigkeit und den üblen Streichen, die sie den Mitbewohnern und der Heimleitung spielte.
Walburga war rüstig, aber eben ein gefährlicher Querkopf. Vielleicht lag es daran: In ihrem langen Leben war sie nur zwei Jahre verheiratet gewesen, allerdings mit zwei Männern. Mit jedem ein Jahr lang. 1951 wurde sie zur Doppel-Witwe - wie sie es nannte. Danach fand sich kein Gefährte mehr. Sowas kann verbittern, war aber nicht der Grund für ihren Mangel an großmütterlicher Güte. Nein! Denn verbittert war sie wegen ihres Sohnes. Berthold Schwitzke-Nöhl wurde 1951 geboren, entstammte also der zweiten Ehe. Der Vater - ein gewisser Friedrich Nöhl - verunglückte im selben Jahr mit dem Motorrad. Tödlich.
Berthold, nunmehr 48 Jahre alt, war ein Miststück. Walburga wusste nicht im Einzelnen, was er trieb, hielt es aber immer noch für richtig, ihn zu ohrfeigen - falls er ihr dumm kam. Dazu war reichlich Gelegenheit.
Heute, am 27. Dezember, erwartete sie seinen Besuch. Grimm hatte sich in ihr angestaut wie Wasser in einem verstopften Klosett.
Weihnachten nämlich hatte sich Berti nicht sehen lassen. Angeblich wegen dringender Geschäfte. Ph! Wer arbeitet denn Weihnachten? Doch höchstens
der Weihnachtsmann - und selbst der macht um Mitternacht Feierabend.
Walburga überlegte, während sie in ihrem Schaukelstuhl am Fenster saß
und in den verschneiten Park hinausblickte.
Das Altersheim Ruhekissen in einem südöstlichen Vorort der TKKG-Stadt
galt als nobel. Täglich standen zwei Menüs zur Auswahl. Es gab einen
Fitnessraum für Senioren mit angeschlossener Sauna und die Apartments
(kleine Wohnung) waren fast so groß wie die Zimmer in einem Mittelklasse-
Hotel.

Illustration von Seite 92.
Illustration von Seite 92.

Es klopfte.
Am Klang hörte Walburga, dass es nicht Berti war. Denn der klopfte immer an mit der Faust - oder gar nicht. Jetzt klopfte ein gebrechlicher Greisinnen-Knöchel. Und der gehörte ganz sicher zu Albertine Müller-Glashütte. ....
„Herein!"
Albertine war 86, von den Jahren gebeugt, aber geistig hellwach. Im Grund hassten sich die beiden. Aber da man Tür an Tür wohnte, mussten sie sich arrangieren, also so tun, als wäre Verträglichkeit angesagt.
„Störe ich, Burga?"
„Ich gucke nur aus dem Fenster."
„Dein Berti ist noch nicht da?"
„Doch, doch! Er hat sich unterm Bett versteckt, damit er dich nicht begrüßen muss."
„Hihih! Du bist immer so lustig."
Albertine setzte sich auf die dreisitzige Couch. Dem Vogelgesicht hinter der Hornbrille konnte Walburga entnehmen, dass ihre Nachbarin was im Schilde führte. Gleich würde sie eine Gemeinheit rauslassen.
Sollte sie nur. Sie ahnte ja nicht, dass Walburga die Weihnachtskerzen an Albertines kleinem Christbaum ausgelauscht hatte. Gegen Scherzartikel-Kerzen. Die explodierten nachdem sie fünf Minuten gebrannt hatten.
„Burga!"
„Ja, Albertine." '.
„Ich will dir wirklich nicht die letzten Tage in diesem Jahrtausend vermiesen. Aber es muss gesagt werden."
„Ich höre."
„Ich finde, du solltest Bescheid wissen über - deinen Sohn."
„Hat er schon wieder vor dem Kücheneingang geparkt?"
„Burga! Du darfst die Augen nicht verschließen - immerhin ist er dein Sohn."
„Wovon - um Himmels willen! - redest du?"

Illustration von Seite 97.
Illustration von Seite 97.

Albertine rutschte von der Mitte der Couch auf den linken Platz - von vorn gesehen. Dabei knisterte ihr Taftkleid, das ihr vor fünf Jahren noch gepasst hatte, inzwischen aber zu weit geworden war.
„Du sagst doch immer, dein Sohn wäre Vertreter."
„Das ist er. Sagt er jedenfalls."
Albertine rutschte wieder zur Mitte und dann weiter nach rechts.
„Wie du weißt, Burga - mein Enkel Kevin studiert Zeitungswissenschaft. Jetzt macht er gerade ein Praktikum beim Einheits-Kurier. Ist ja 'ne seriöse Zeitung, nicht wahr? Dort hat man in der Vorweihnachtszeit Untersuchungen gemacht über betrügerische Wohltätigkeits-Organisationen. Da gibt es nämlich etliche. Die sind gar nicht wohltätig, behaupten das zwar und sammeln viele Spenden ein, stecken das Geld aber in die eigene Tasche."
„Weshalb erzählst du mir das?"
„Dein Sohn macht das auch."
Walburga glaubte ihr sofort. Sowas passte zu Berti. Dennoch - sie schüttelte den Kopf.
„Du spinnst, Albertine. Oder dein Enkel spinnt. Berti ist Vertreter und kein Krimineller."
„Doch, doch! Kevin hat es mir genau erklärt.