Gaby befand sich etwa sechs Meter entfernt. Und sah: Hinter der Hecke bewegte sich etwas, ja! Dort war ein großes dunkles Tier. Jetzt war's an dem Loch und schob sich durch auf den Grünstreifen neben der Straße. Gaby schrie auf.
Sofort bewegte der riesige Braunbär den Kopf. Ausdruckslose Augen - ausdruckslos durch jahrelange Gefangenschaft - sehen sie an.
Gaby weiß, wie schnell Bären sind. Sie sehen nicht aus wie Sprinter, aber sie sind's. Dieses Raubtier hier war mindestens zweieinhalb Meter lang und sechs Zentner schwer.
Ein Ursus arctos. Europas stärkstes Raubtier, das großes Wild, auch Schafe und Rinder reißt. Als Teddy entzückend, aber hier ...
Also doch!, schoss es ihr durch den Kopf. Keine Täuschung. Bären sind frei. Der von eben. Und dieser. Mindestens zwei. O Gott!
Vergessen war die Zimmerpalme. Gaby sauste los, was die Reifen hielten. Vorbei an dem Raubtier, das sich ebenfalls in Bewegung setzte. Gabys Herz hämmerte. Angst hatte sie wie eine Faust im Nacken gepackt. Ein Prankenhieb - und aus wäre alles. Himmel, dieser Petz wusste doch nicht, was für eine Tierfreundin sie ist: Eine Tierschützerin, die sich einsetzt für alle im Tierreich und deren Rechte. Doch selbst wenn er's gewusst hätte: Ein Raubtier bleibt immer ein Raubtier und zerfleischt - wenn nicht abgerichtet - auch die Hand, die es füttert.
Gaby preschte mit Höllentempo.
Hinter ihr ein ärgerliches Brummen.
Blick zurück! Der Bär folgte ihr, galoppierte auf allen vier Tatzen. Aber sie war schneller.
Die Palme schwankte wie wild.
Noch schneller!!!
Wahnsinn!, dachte sie. Wieso sind die Bären frei? Wird das ein Streichelzoo für Lebensmüde?
In diesem Moment kam der zweite Bär aus dem Wald, kam unter den Bäumen hervor und war mindestens so gewaltig wie Gabys Verfolger.
Tims Begegnung mit den Bären
Als Tim die Lichtung überquerte, kam der Bär.
Das Raubtier trollte links unter den Bäumen hervor, war etwa 30 Meter entfernt und verhielt.
Tim und der Bär starrten sich an.
Bleib da!, dachte der TKKG-Häuptling. Du bleibst da! Dreh ab! Leg dich auf den Rücken! Mach den Teddy!
Tim war cool. Wie immer bei Gefahr. So was kann ihn nicht schrecken. Wenn eigene Action angesagt ist, bleibt alles im Griff, bleibt alles unter Kontrolle. Die Angst um Gaby - das ist was anderes. Das drückt die Luft ab.
Tim legte alle Kraft in seinen Blick, war überzeugt von der hypnotischen Wirkung - nach dem Motto: Der stärkere Wille siegt.
Igor - es handelte sich um den männlichen Bären - sah das anders. Vielleicht erinnerte Tim ihn an einen Pfleger, den er nicht leiden konnte. Oder er gehörte zu den intoleranten, fremdenfeindlichen Bären, die grundsätzlich was gegen Zweibeiner haben.
Jedenfalls setzte er sich in Bewegung, rannte auf Tim zu - und das nicht in freundlicher Absicht.
Tim schnellte zum Eichenstamm. Dabei war ihm klar, dass der für eine Kletterstange viel zu umfangreich war, nämlich dick wie ein Fass, und dass er andererseits für einen Kletterbaum keine - oder kaum - Griffmöglichkeiten bot. Die dünnen Triebästchen hielten nicht viel aus.
Am Stamm! Tim schnellte hoch im Sprung und erwischte zwei Ästchen. Der linke riss ab. Der rechte hielt. Tim fasste links einen zweiten, etwas höher, und versuchte, sich mit den Füßen abzustützen. Tatsächlich geriet eine Fußspitze in ein Astloch.
Weiter! Tims Hände wirbelten. Die meisten Äste brachen oder rissen aus dem Stamm, während er sich hinauf arbeitete. Blitzschnelle Griffe waren erforderlich. Er musste loslassen, bevor der Halt nachgab, musste schon den nächsten erreicht haben.
Als der Bär anlangte, befanden sich Tims Füße etwa zweieinhalb Meter über dem Boden.