Band 101: Hinterhalt am schwarzen Fels

Band 101: Hinterhalt am schwarzen Fels
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
02. März 2005
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-12962-3
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Leseprobe

llustration von Seite 14/15.
llustration von Seite 14/15.

Eitelkeit war seine größte Schwäche. Insgeheim ärgerte
es Westor, dass niemand ihm ansah, was für ein Kaliber er
war: einer der meistgesuchten Verbrecher, steckbrieflich
gesucht in zwölf europäischen Ländern.
Freddy Westor war äußerlich Durchschnitt: mittelgroß,
Anfang der mittleren Jahre, hager. Ein kaltes Gesicht mit
kalten Augen. Seine ständige Miene – ein Ausdruck wachsamer
Geringschätzung – schien wie eingefroren.Keiner
seiner Leute konnte sich an ein Lächeln erinnern, ein Lächeln
auf Westors Gesicht.
Jetzt stand er an der holzverschalten Wand des Kellerraums,
hielt den großen Papierbogen dagegen und drückte
Reißzwecken in die vier Ecken. Dann trat er zur Seite und
wandte sich an seine Leute.
Sie saßen auf umgestülpten Obstkisten. Galeb und
Leutke hatten sich auf den Boden gehockt – Leutke
schwerfällig wegen seiner ständig schmerzenden Knie,
Galeb war geschmeidig in den Schneidersitz gesunken.
Er, Galeb, betrieb Kickboxen und konnte sich – wie er
behauptete – mit der linken Fußspitze aufs rechte Ohrläppchen
treten. Dort trug er einen goldenen Ring, am
anderen Ohr einen silbernen.

Illustration von Seite 22.
Illustration von Seite 22.

Acht Augenpaare starrten auf die vierfarbige Skizze,
einen Lageplan mit Gebäuden, Grünflächen,Wegen,Höfen,
einem Sportplatz und der Mauer, die das Gelände
umfriedete. Während Westor erklärte, sah er meistens
seine Leute an und nicht auf die Skizze, benutzte aber
eine lederne Reitgerte als Zeigestock. Sozusagen blind
wies er auf das jeweilige Objekt, das er nannte.
»Das ist also das Gelände der berühmten Internatsschule.
Liegt südlich der Stadt in grüner Landschaft, zehn
Autominuten ab Stadtgrenze. Nur eine Zubringerstraße
führt hin. Zwischen Stadt und Schule sind Wiesen und
Felder. Wenig Verkehr auf der Strecke, obwohl’s dort
auch Wege gibt zum Wandern und Joggen. Dazu Fragen?«
Niemand rührte sich.
»Morgen früh schlagen wir los.« Westor streckte die
Reitgerte aus, ohne hinzusehen. Ihre Spitze tippte auf
ein längliches Gebäude. »Hier, das Haupthaus. Im Parterre
ein langer Flur. Rechts und links Klassenräume. Die
vierte Tür links – das ist die 9b.«
»Müsste eigentlich dranstehen an der Tür«, sagte
Leutke. »Oder ist das heutzutage nicht mehr üblich?«
»Keine Ahnung.« Westor hob die Schultern. »Aber ich
denke mal – ja. Jedenfalls – unsere Infos sind zuverlässig.
Vierte Tür links. Und die Schüler der 9b werden genau in
diesem Raum sein und nicht beim Sport, im Physiksaal,
im Musikzimmer oder sonst wo. Es ist die dritte Stunde.
Es ist Montag. Da sind alle noch verpennt, einschließlich
der Pauker.«
»Um ganz sicherzugehen«, meldete sich Galeb zu
Wort, »fragen wir nach den Namen. Natürlich nebenher,
unauffällig.«
»Wird nicht nötig sein.« Westor zog einen Briefumschlag
aus der Brusttasche. »Ich habe Fotos gekriegt.
Natürlich nur von den beiden, um die es uns geht. Es
sind nicht gerade künstlerische Porträts, aber man kann
die Gesichter erkennen.«
Er genoss das Erstaunen. Ja, seine Leute bewunderten
ihn. Wann auch immer, wo auch immer – er konnte zaubern,
hatte jedes Mal eine Trumpfkarte im Ärmel: den
Schlüssel zum Erfolg.
Es waren fünf Fotos. Drei von dem Mädchen, zwei von
dem Jungen. Schnappschüsse, zum Teil verwackelt, aus
der Hüfte geschossen – aber es würde reichen, um die
beiden zu erkennen und aus der Schar ihrer Mitschüler
herauszupicken.